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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2023 — 2023(2024)

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Nachruf auf Peter Roquette

essiert, es sei denn sie lassen sich anwenden auf die Lösung ganz konkreter Proble-
me, wie sie etwa die Zahlentheorie bietet. Andererseits liefert die abstrakte Algebra,
zum Beispiel die Gruppentheorie, erfahrungsgemäß oft das geeignete Hilfsmittel
zur strukturellen Aufklärung des gegebenen konkreten Problems, sozusagen die
angemessene Sprache zur Beschreibung der Struktur einer mathematischen Situa-
tion. Das ist der Grund, weshalb ich mich auch mit Algebra beschäftige, neben der
Zahlentheorie, die mein Hauptinteresse beansprucht."1
Roquette pflegte wissenschaftliche Kooperationen auch mit anderen Teilbe-
reichen der Mathematik, insbesondere mit der Mathematischen Logik und in den
letzten Jahren mit der Geschichte der Mathematik. Das weite Spektrum seiner
Interessen innerhalb der Mathematik und seiner erzielten substantiellen wissen-
schaftlichen Beiträge ist beeindruckend.
Sein Studium verlief in Bahnen mit wissenschaftlichen Wegweisern. Er be-
gann 1947 an der Universität in Erlangen, an der er sich nach eigenen Aussagen
„unter vollständiger Vernachlässigung des von Anfängerstudenten verlangten Stan-
dardstoffes" intensiv mit den Originalvorlesungen von Emmy Noether beschäf-
tigte und so unter den indirekten Einfluss dieser großen Algebraikerin kam. Er
wechselte nach Hamburg, angezogen auch durch den Gruppentheoretiker Hans
Zassenhaus, einem Schüler von Emil Artin, der als einer der führenden Algebrai-
ker des 20. Jahrhunderts gilt.
Schließlich landete er, den eigenen wissenschaftlichen Interessen folgend,
1949 bei Helmut Hasse in Berlin. Hasse beeinflusste die Ausrichtung seiner ma-
thematischen Arbeit am stärksten und in entscheidender Weise. Roquette berich-
tet, er habe eigentlich nur wenige Vorlesungen bei ihm gehört; die meisten seiner
Anregungen ergaben sich in Seminaren, in persönlichen Gesprächen und durch
das Studium seiner Arbeiten, die ihn faszinierten. Unter seinem Einfluss beschäf-
tigte er sich insbesondere mit algebraisch-zahlentheoretischen Verallgemeinerun-
gen der Riemannschen Vermutung.
Die klassische, bis heute ungelöste Riemannsche Vermutung behauptet, dass
die nichttrivialen Nullstellen der Riemannschen ^-Funktion alle den Realteil 1/2
besitzen. Dabei wird ^(s) für komplexes s definiert mit der Reihe En=in's. Die Ent-
scheidung, ob diese Hypothese zutrifft, gehört zu den Millennium-Problemen,
deren Lösung auch weiterhin Ansporn für die Fortentwicklung der Mathematik
ist. Roquette lieferte in seiner Dissertation im Jahre 1951 mit arithmetischen Me-
thoden einen eleganten Beweis der Riemannschen Vermutung für die ^-Funktion
eines algebraischen Funktionenkörpers über einem endlichen Konstantenkörper.
Dieser ist erheblich einfacher als der vorher von Andre Weil mit umfangreichen
algebraisch-geometrischen Methoden geführte Beweis. Die Arbeit erschien in
Crelle 's Journal für die Reine und Angewandte Mathematik, einer international renom-

1 Jahrbuch der Heidelberger Akademie der Wissenschaften 1978, S. 47-50.

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