Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im Mittelalter 1 29
Neben der Vermittlung von Wissen in den Klosterschulen trugen auch die klös-
terlichen Skriptorien, die Schreibstuben, zu einer dauerhaften Verschriftlichung
von Wissensinhalten bei.62 Für die Überlieferung des antiken Wissens in das eu-
ropäische Mittelalter war die karolingische Zeit des 8. und 9. Jahrhunderts ent-
scheidend. Die Werke, die in dieser Zeit in den Klöstern kopiert wurden, konnten
tradiert werden, viele weitere sind verloren gegangen. Auch der Tausch und die
gegenseitige Korrektur von Büchern trugen zur Vernetzung von Äbten und ihren
Klöstern bei: Bücherleihe war über Ordensgrenzen hinaus gängige Praxis, und so
fungierten die Klosterbibliotheken für die zeitgenössischen Gelehrten auf regio-
naler und überregionaler Ebene als Wissensspeicher.63 Allerdings kam es auch
hier zu Verlusten - etwa, wenn geliehene Bücher nicht wieder zurückgegeben
wurden. Vor diesem Schicksal fürchtete sich auch ein Lorscher Codex, wie an
folgender ärgerlicher Mahnung auf dem Vorsatzblatt zu erkennen ist: „Gedenke,
lieber Leser, mich dem Nazarius zurückzugeben, da ich nicht unter dem Recht
eines anderen Herrn leiden will."64 Aber nicht nur Wissensinhalte zeugen von der
Innovationskraft mittelalterlicher Mönche und Nonnen. Auch die Herstellung
(Reihe der Universitätsdrucke), Göttingen 2015. Für ein zisterziensisches Fallbeispiel s. Julia
Bruch, Die Zisterze Kaisheim und ihre Tochterklöster: Studien zur Organisation und zum
Wirtschaften spätmittelalterlicher Frauenklöster mit einer Edition des „Kaisheimer Rech-
nungsbuches" (Vita regularis. Editionen 5), Berlin/Münster 2013.
62 Tino Licht, Beobachtungen zum Lorscher Skriptorium in karolingischer Zeit, in: Karolin-
gische Klöster (wie Anm. 59), S. 145-162; Hartmut Hoffmann, Schreibschulen des 10. und
des 11. Jahrhunderts im Südwesten des Deutschen Reichs, 2 Bde. (Monumenta Germaniae
Historica. Schriften 53), Hannover 2004; Rosamond McKitterick, The Writing and Copy-
ing of History in Carolingian Monasteries, in: Le Scritture dai monasteri, hg. von Flavia De
RuBEis/Walter Pohl (Acta Instituti Romani Finlandiae 29), Rom 2003, S. 157-177; Bernhard
Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen und Bibliotheken in der Karolingerzeit,
2 Bde. (Sammlung bibliothekswissenschaftlicher Arbeiten 49), Leipzig 1974-1980. Für be-
deutende Skriptorien s. die Beiträge in: Schreiborte des deutschen Mittelalters: Skriptorien,
Werke, Mäzene, hg. von Martin Schubert, Berlin 2013.
63 Bertram Lesser, Kaufen, Kopieren, Schenken. Wege der Bücherverbreitung in den monasti-
schen Reformbewegungen des Spätmittelalters, in: Schriftkultur und religiöse Zentren im
norddeutschen Raum, hg. von Patrizia CARMASSI/Eva SCHLOTHEUBER/Almut Breiten-
bach (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 24), Wiesbaden 2014, S. 327-345; Kerstin Schna-
bel, Bücherlegate in norddeutschen Städten des Spätmittelalters. Soziale Interaktionen und
Transferbedingungen, in: „Es geht um die Menschen". Beiträge zur Wirtschafts- und Sozial-
geschichte des Mittelalters für Gerhard Fouquet zum 60. Geburtstag, hg. von Harm VON
Seggern, Frankfurt 2012, S. 129-148.
64 Der Codex, der in der Lorscher Bibliothek aufgewahrt wurde und der die Bücher XI-XVI
der Moralia in lob Gregors des Großen (um 540-604) enthält, ist durch das Projekt „Biblio-
theca Laureshamensis - digital: Virtuelle Klosterbibliothek Lorsch" inzwischen digital zu-
gänglich: Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 246, fol. lr, https://bibliotheca-lau-
reshamensis-digital.de/bav/bav_pal_lat_246/0007/image (zuletzt abgerufen am 17.06.2020):
Reddere Nazario me, lector kare, memento, / Alterius domini ins quia nolo pati. Zum Lor-
Neben der Vermittlung von Wissen in den Klosterschulen trugen auch die klös-
terlichen Skriptorien, die Schreibstuben, zu einer dauerhaften Verschriftlichung
von Wissensinhalten bei.62 Für die Überlieferung des antiken Wissens in das eu-
ropäische Mittelalter war die karolingische Zeit des 8. und 9. Jahrhunderts ent-
scheidend. Die Werke, die in dieser Zeit in den Klöstern kopiert wurden, konnten
tradiert werden, viele weitere sind verloren gegangen. Auch der Tausch und die
gegenseitige Korrektur von Büchern trugen zur Vernetzung von Äbten und ihren
Klöstern bei: Bücherleihe war über Ordensgrenzen hinaus gängige Praxis, und so
fungierten die Klosterbibliotheken für die zeitgenössischen Gelehrten auf regio-
naler und überregionaler Ebene als Wissensspeicher.63 Allerdings kam es auch
hier zu Verlusten - etwa, wenn geliehene Bücher nicht wieder zurückgegeben
wurden. Vor diesem Schicksal fürchtete sich auch ein Lorscher Codex, wie an
folgender ärgerlicher Mahnung auf dem Vorsatzblatt zu erkennen ist: „Gedenke,
lieber Leser, mich dem Nazarius zurückzugeben, da ich nicht unter dem Recht
eines anderen Herrn leiden will."64 Aber nicht nur Wissensinhalte zeugen von der
Innovationskraft mittelalterlicher Mönche und Nonnen. Auch die Herstellung
(Reihe der Universitätsdrucke), Göttingen 2015. Für ein zisterziensisches Fallbeispiel s. Julia
Bruch, Die Zisterze Kaisheim und ihre Tochterklöster: Studien zur Organisation und zum
Wirtschaften spätmittelalterlicher Frauenklöster mit einer Edition des „Kaisheimer Rech-
nungsbuches" (Vita regularis. Editionen 5), Berlin/Münster 2013.
62 Tino Licht, Beobachtungen zum Lorscher Skriptorium in karolingischer Zeit, in: Karolin-
gische Klöster (wie Anm. 59), S. 145-162; Hartmut Hoffmann, Schreibschulen des 10. und
des 11. Jahrhunderts im Südwesten des Deutschen Reichs, 2 Bde. (Monumenta Germaniae
Historica. Schriften 53), Hannover 2004; Rosamond McKitterick, The Writing and Copy-
ing of History in Carolingian Monasteries, in: Le Scritture dai monasteri, hg. von Flavia De
RuBEis/Walter Pohl (Acta Instituti Romani Finlandiae 29), Rom 2003, S. 157-177; Bernhard
Bischoff, Die südostdeutschen Schreibschulen und Bibliotheken in der Karolingerzeit,
2 Bde. (Sammlung bibliothekswissenschaftlicher Arbeiten 49), Leipzig 1974-1980. Für be-
deutende Skriptorien s. die Beiträge in: Schreiborte des deutschen Mittelalters: Skriptorien,
Werke, Mäzene, hg. von Martin Schubert, Berlin 2013.
63 Bertram Lesser, Kaufen, Kopieren, Schenken. Wege der Bücherverbreitung in den monasti-
schen Reformbewegungen des Spätmittelalters, in: Schriftkultur und religiöse Zentren im
norddeutschen Raum, hg. von Patrizia CARMASSI/Eva SCHLOTHEUBER/Almut Breiten-
bach (Wolfenbütteler Mittelalter-Studien 24), Wiesbaden 2014, S. 327-345; Kerstin Schna-
bel, Bücherlegate in norddeutschen Städten des Spätmittelalters. Soziale Interaktionen und
Transferbedingungen, in: „Es geht um die Menschen". Beiträge zur Wirtschafts- und Sozial-
geschichte des Mittelalters für Gerhard Fouquet zum 60. Geburtstag, hg. von Harm VON
Seggern, Frankfurt 2012, S. 129-148.
64 Der Codex, der in der Lorscher Bibliothek aufgewahrt wurde und der die Bücher XI-XVI
der Moralia in lob Gregors des Großen (um 540-604) enthält, ist durch das Projekt „Biblio-
theca Laureshamensis - digital: Virtuelle Klosterbibliothek Lorsch" inzwischen digital zu-
gänglich: Rom, Biblioteca Apostolica Vaticana, Pal. lat. 246, fol. lr, https://bibliotheca-lau-
reshamensis-digital.de/bav/bav_pal_lat_246/0007/image (zuletzt abgerufen am 17.06.2020):
Reddere Nazario me, lector kare, memento, / Alterius domini ins quia nolo pati. Zum Lor-