38 I Annick Peters-Custot
Seit dem Ende des 10. Jahrhunderts finden sich im Westen innovative Formen
des Mönchtums. Im legitimatorischen Diskurs werden diese Neuerungen je-
doch als Rückkehr zu den Ursprüngen dargestellt, da diesen zwangsläufig eine
qualitative Überlegenheit zukam. Sicherlich ist einzuräumen, dass die Eigen-
schaften des „neuen Ordens" mit den Anfängen des Mönchtums verbunden
sind, zumindest mit der Darstellung, die man mit dem Leben des heiligen Anto-
nius verband: die Fuga mundi in die Einsamkeit, die auserwählte Armut, die
harte Askese, das ständige Gebet und die Handarbeit. Es ist allgemein aner-
kannt, dass im zehnten und elften Jahrhundert die östlichen Mönche, die in den
Quellen meistens als „griechische" Mönche bezeichnet werden,3 als Vertreter
dieser alten Formen des Mönchtums, die im Westen verloren gegangen waren,
angesehen werden können. Diese Identifikation, die zwischen dem ursprüng-
lichen und dem byzantinischen Mönchtum seit dem Mittelalter vorgenommen
wird,4 ist in der historischen Forschung weitgehend akzeptiert. Das lebende
Modell der ersten Phase der Reform, dasjenige der eremitischen Askese, lässt
sich also im mittelalterlichen „griechischen" Mönchtum ablesen.
Im zehnten und elften Jahrhunderte gibt es viele Ausdrucksformen dieser
westlichen Reformtätigkeit, die aus den monastischen Ursprüngen des östlichen
Die heutige Forschung untersucht auch die Institutionalisierung westlicher eremitischer Be-
wegungen dieser Zeit und den Aufbau von religiösen Orden über eine oft an das Vorbild des
Gründers geknüpfte Ursprungserinnerung, die sich häufig dem Eremitismus zuwandte. Be-
sonders erwähnenswert ist in diesem Kontext die Arbeit über den Orden der Kamaldulenser
von Cecile Caby: Cecile Caby, De l'eremitisme rural au monachisme urbain. Les camaldules
en Italie ä la fin du Moyen Age (Bibliotheque des Ecoles frangaises d'Athenes et de Rome
305), Rom 1999. Zur Bedeutung dieser Ursprungserinnerung für den Prozess der Institutio-
nalisierung vgl. Cecile Caby, La memoire des origines dans les institutions medievales, in:
Melanges de l'Ecole frangaise de Rome. Moyen Äge 115/1 (2003), S. 133-479; Gert Mel-
ville, Alcune osservazioni sui processi di istituzionalizzazione della vita religiosa nei secoli
XII e XIII, in: Benedictina, 48 (2001), S. 371-394; Ders., Nuove tendenze della storiografia
monastica di area tedesca. Le ricerche di Dresda sulle strutture istituzionali degli ordini reli-
giosi medievali, in: Dove va la storiografia monastica in Europa? Temi e metodi di ricerca per
lo studio della vita monastica e regolare in etä medievale alle soglie del terzo millenio, hg. von
Giancarlo Andenna, Milano 2001, S. 35-52 ; Gert MELVILLE/Florent Cygler, Nouvelles
approches historiographiques des ordres religieux en Allemagne. Le groupe de recherche de
Dresde sur les structures institutionnelles des ordres religieux au Moyen Age, in: Revue Ma-
billon 12 (2001), S. 314-321.
3 Annick Peters-Custot, L'Autre est le meme: qu'est-ce qu'etre « grec » dans les sources
latines de l'Italie (VIIIe-XIe siecles), in: A la rencontre de l'autre au Moyen Age. In memoriam
Jacques Le Goff. Actes des premieres Assises franco-polonaises d'histoire medievale, hg. von
Philippe JossERAND/Jan Pysiak, Rennes 2017, S. 53-78.
4 Annick Peters-Custot, Un Drang nach Westen monastique ? Les Vies latines des saints
moines orientaux qui viennent "voir 1'Occident et mourir" au XIe siecle, in: Sur les pas de
Lanfranc, du Bec a Caen. Recueil d'etudes en hommage a Veronique Gazeau, (Cahiers des
Annales de Normandie 37), Caen 2018, S. 419-428.
Seit dem Ende des 10. Jahrhunderts finden sich im Westen innovative Formen
des Mönchtums. Im legitimatorischen Diskurs werden diese Neuerungen je-
doch als Rückkehr zu den Ursprüngen dargestellt, da diesen zwangsläufig eine
qualitative Überlegenheit zukam. Sicherlich ist einzuräumen, dass die Eigen-
schaften des „neuen Ordens" mit den Anfängen des Mönchtums verbunden
sind, zumindest mit der Darstellung, die man mit dem Leben des heiligen Anto-
nius verband: die Fuga mundi in die Einsamkeit, die auserwählte Armut, die
harte Askese, das ständige Gebet und die Handarbeit. Es ist allgemein aner-
kannt, dass im zehnten und elften Jahrhundert die östlichen Mönche, die in den
Quellen meistens als „griechische" Mönche bezeichnet werden,3 als Vertreter
dieser alten Formen des Mönchtums, die im Westen verloren gegangen waren,
angesehen werden können. Diese Identifikation, die zwischen dem ursprüng-
lichen und dem byzantinischen Mönchtum seit dem Mittelalter vorgenommen
wird,4 ist in der historischen Forschung weitgehend akzeptiert. Das lebende
Modell der ersten Phase der Reform, dasjenige der eremitischen Askese, lässt
sich also im mittelalterlichen „griechischen" Mönchtum ablesen.
Im zehnten und elften Jahrhunderte gibt es viele Ausdrucksformen dieser
westlichen Reformtätigkeit, die aus den monastischen Ursprüngen des östlichen
Die heutige Forschung untersucht auch die Institutionalisierung westlicher eremitischer Be-
wegungen dieser Zeit und den Aufbau von religiösen Orden über eine oft an das Vorbild des
Gründers geknüpfte Ursprungserinnerung, die sich häufig dem Eremitismus zuwandte. Be-
sonders erwähnenswert ist in diesem Kontext die Arbeit über den Orden der Kamaldulenser
von Cecile Caby: Cecile Caby, De l'eremitisme rural au monachisme urbain. Les camaldules
en Italie ä la fin du Moyen Age (Bibliotheque des Ecoles frangaises d'Athenes et de Rome
305), Rom 1999. Zur Bedeutung dieser Ursprungserinnerung für den Prozess der Institutio-
nalisierung vgl. Cecile Caby, La memoire des origines dans les institutions medievales, in:
Melanges de l'Ecole frangaise de Rome. Moyen Äge 115/1 (2003), S. 133-479; Gert Mel-
ville, Alcune osservazioni sui processi di istituzionalizzazione della vita religiosa nei secoli
XII e XIII, in: Benedictina, 48 (2001), S. 371-394; Ders., Nuove tendenze della storiografia
monastica di area tedesca. Le ricerche di Dresda sulle strutture istituzionali degli ordini reli-
giosi medievali, in: Dove va la storiografia monastica in Europa? Temi e metodi di ricerca per
lo studio della vita monastica e regolare in etä medievale alle soglie del terzo millenio, hg. von
Giancarlo Andenna, Milano 2001, S. 35-52 ; Gert MELVILLE/Florent Cygler, Nouvelles
approches historiographiques des ordres religieux en Allemagne. Le groupe de recherche de
Dresde sur les structures institutionnelles des ordres religieux au Moyen Age, in: Revue Ma-
billon 12 (2001), S. 314-321.
3 Annick Peters-Custot, L'Autre est le meme: qu'est-ce qu'etre « grec » dans les sources
latines de l'Italie (VIIIe-XIe siecles), in: A la rencontre de l'autre au Moyen Age. In memoriam
Jacques Le Goff. Actes des premieres Assises franco-polonaises d'histoire medievale, hg. von
Philippe JossERAND/Jan Pysiak, Rennes 2017, S. 53-78.
4 Annick Peters-Custot, Un Drang nach Westen monastique ? Les Vies latines des saints
moines orientaux qui viennent "voir 1'Occident et mourir" au XIe siecle, in: Sur les pas de
Lanfranc, du Bec a Caen. Recueil d'etudes en hommage a Veronique Gazeau, (Cahiers des
Annales de Normandie 37), Caen 2018, S. 419-428.