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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0052
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Das byzantinische Süditalien 1 51

um die Bedeutung der Vergangenheit zu beleuchten als auch um seine eigene
Reform zu rechtfertigen: Mit der Analogie, die er zwischen Benedikts Ge-
schichte und seiner eigenen Geschichte setzt, macht er aus seiner Reform sowohl
eine individuelle Reise als auch ein kollektives Projekt zur Erneuerung des
christlichen Mönchtums als Ganzes.
Welches Fazit lässt sich aus diesen unterschiedlichen Elementen bezüglich des
Einflusses des italienisch-griechischen Mönchtums in Joachims Theorie ziehen?
Offensichtlich ist Joachims praktisches, historisches, emblematisches und theo-
retisches Vorbild nicht das östliche Mönchtum, sondern Benedikt von Nursia.
Dies liegt daran, dass nach Joachim de Fiore die Übertragung kontemplativer
Strenge vom Osten in den Westen viel früher erfolgte als zu Benedikts Zeit. Wie
bereits vorhin angesprochen, macht Joachim diese Übertragung an Konstantins
Herrschaft fest. Das einzige griechische Mönchtum, das Modell steht, ist das der
frühen Ägypter und Palästinenser, also dasjenige der Wüstenväter. Die östliche
Tugend ist systematisch in der Vergangenheit, weil sie an die Lateiner weiterge-
geben wurde, die sie vermehrt haben.40 Bei den Griechen ist nichts mehr geblie-
ben, und sie selbst erscheinen nur als ein Moment der Vergangenheit, von dem
nichts übrig geblieben ist, und zwar auch, da die Reform in einer eschatologi-
schen Perspektive eine Rückkehr zu den Quellen darstellt, eine Utopie der Zu-
kunft. Die griechische Kirche ist eine Vision und kein aktueller Einfluss. Die
Griechen, wie Joachim sie nennt, haben ihre Rolle in der Geschichte und in der
Apokalypse, aber nicht in der Realität - die gegenwärtigen Griechen sind für
Joachim schreckliche Schismatiker. Tatsächlich ist die Bedeutung des orientali-
schen Bezuges eher in zeitlicher (zurückgehend ins vierte Jahrhundert) als in
monastischer Hinsicht (Rückkehr zum Eremitismus) zu verstehen.
Fazit
Bei näherer Betrachtung waren das byzantinische Mönchtum (und damit das
italienisch-griechische Mönchtum) und das westliche Mönchtum in der Vielfalt
ihrer Äußerungen und Formen im zehnten und elften Jahrhundert nicht so weit
voneinander entfernt. Die Grundlage von beiden monastischen Formen besteht
aus großen, mächtigen koinobitischen Stiftungen, aus denen manchmal beson-
40 Trattati sui quattro Vangeli (wie Anm. 33), S. 183 : Quamvis enim patres Graecorum primi
fuerint in doctrina spiritualis ac monastice discipline, quod tarnen post eos zelati earn fuerint
Latini, zelentur multi usque ad presens, testatur ispe rigor qui, ad resecanda genimina vicio-
rum, usque in hodiernum diem in latinis cenobiis exercetur. Vgl. Pasztor, Ideale del mo-
nachesimo (wie Anm. 32), S. 72.
 
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