78 I Knut Görich
Das eigentlich existenziell erschütternde Geschehen für Otto III. war das
Martyrium des heiligen Adalbert 997 in Polen: Die Erfahrung, Zeitgenosse ei-
ner als authentisch wahrgenommenen Heiligkeit zu sein, gab ihm nach allem,
was erkennbar ist, den Anstoß für die politische Flankierung der Glaubensver-
breitung im Osten während seiner letzten Regierungsjahre. Zum unmittelbaren
Kontext seines Entschlusses zur Weltabkehr gehörte aber die Begegnung mit
Romuald, dem charismatischen Vertreter der um die erste Jahrtausendwende
mit neuer Intensität wiederentdeckten eremitischen Frömmigkeit. Offenkundig
übte die Strenge der asketischen Lebensführung auf den Kaiser besondere An-
ziehungskraft aus - wie auch auf viele andere Adlige, die in den Bannkreis Ro-
mualds gerieten. Herrschaftstheologisch betrachtet mochte der damals nur
kurze Zeit zurückliegende Aufstand der Römer ein dringlicher Grund gewesen
sein, um über den Zusammenhang zwischen Wohlergehen des Reichs und gott-
gefälliger Herrschaftsausübung als eine besondere Herausforderung an die ei-
gene Lebensführung nachzudenken: Sich und damit dem Reich die göttliche
Gnade sichern zu müssen, war eine bindende Verpflichtung des Herrschers;
Weltabkehr war eine Konsequenz, die in der Dynamik des Tun-Ergehen-Zu-
sammenhangs ruhte, durch vorbildliche Frömmigkeit weitere göttliche Zuwen-
dung zu gewährleisten. Erschien Romualds kompromissloser Rückzug aus der
Welt Otto III. vor diesem Hintergrund als überzeugendes Vorbild gelingender
Heilsvorsorge? Mit letzter Sicherheit kann diese Frage nicht beantwortet wer-
den. Aber die Innovation, die Romuald seinen Beinamen pater rationabilium
eremitarum verlieh, vermittelte dem Kaiser doch wahrscheinlich den entschei-
denden Impuls im Verlangen nach Heiligung seiner Seele. Die Zuordnung von
monastischer und eremitischer Gemeinschaft, die einen damals neuen organisa-
torischen Rahmen für die bestmögliche Entfaltung individueller Frömmigkeits-
praktiken schuf, scheint Otto III. eine konkrete Perspektive für die Verwirkli-
chung seines Amts- und Weltverzichts aufgewiesen zu haben.
sime colligimus, quia Otto uiuus, Otto eternus in paradiso Dei est humilis seruus sanctorum,
et qui numquam peccauerunt, were filius angelorum; und S. 47 Z. 4-6: Non enim parua spiri-
tualia autpedetemtim minutimque celeste iter carpere desiderabat, qui summarn potestatem
et maximam gloriam tarn subita mutatione relinquere magno animo cogitabat; Voigt, Brun
(wie Anm. 2), S. 396 und S. 397.
Das eigentlich existenziell erschütternde Geschehen für Otto III. war das
Martyrium des heiligen Adalbert 997 in Polen: Die Erfahrung, Zeitgenosse ei-
ner als authentisch wahrgenommenen Heiligkeit zu sein, gab ihm nach allem,
was erkennbar ist, den Anstoß für die politische Flankierung der Glaubensver-
breitung im Osten während seiner letzten Regierungsjahre. Zum unmittelbaren
Kontext seines Entschlusses zur Weltabkehr gehörte aber die Begegnung mit
Romuald, dem charismatischen Vertreter der um die erste Jahrtausendwende
mit neuer Intensität wiederentdeckten eremitischen Frömmigkeit. Offenkundig
übte die Strenge der asketischen Lebensführung auf den Kaiser besondere An-
ziehungskraft aus - wie auch auf viele andere Adlige, die in den Bannkreis Ro-
mualds gerieten. Herrschaftstheologisch betrachtet mochte der damals nur
kurze Zeit zurückliegende Aufstand der Römer ein dringlicher Grund gewesen
sein, um über den Zusammenhang zwischen Wohlergehen des Reichs und gott-
gefälliger Herrschaftsausübung als eine besondere Herausforderung an die ei-
gene Lebensführung nachzudenken: Sich und damit dem Reich die göttliche
Gnade sichern zu müssen, war eine bindende Verpflichtung des Herrschers;
Weltabkehr war eine Konsequenz, die in der Dynamik des Tun-Ergehen-Zu-
sammenhangs ruhte, durch vorbildliche Frömmigkeit weitere göttliche Zuwen-
dung zu gewährleisten. Erschien Romualds kompromissloser Rückzug aus der
Welt Otto III. vor diesem Hintergrund als überzeugendes Vorbild gelingender
Heilsvorsorge? Mit letzter Sicherheit kann diese Frage nicht beantwortet wer-
den. Aber die Innovation, die Romuald seinen Beinamen pater rationabilium
eremitarum verlieh, vermittelte dem Kaiser doch wahrscheinlich den entschei-
denden Impuls im Verlangen nach Heiligung seiner Seele. Die Zuordnung von
monastischer und eremitischer Gemeinschaft, die einen damals neuen organisa-
torischen Rahmen für die bestmögliche Entfaltung individueller Frömmigkeits-
praktiken schuf, scheint Otto III. eine konkrete Perspektive für die Verwirkli-
chung seines Amts- und Weltverzichts aufgewiesen zu haben.
sime colligimus, quia Otto uiuus, Otto eternus in paradiso Dei est humilis seruus sanctorum,
et qui numquam peccauerunt, were filius angelorum; und S. 47 Z. 4-6: Non enim parua spiri-
tualia autpedetemtim minutimque celeste iter carpere desiderabat, qui summarn potestatem
et maximam gloriam tarn subita mutatione relinquere magno animo cogitabat; Voigt, Brun
(wie Anm. 2), S. 396 und S. 397.