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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0084
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Franziskus als Stifter franziskanischer Identität im 13. und 14. Jahrhundert 1 83

Datum des Empfangs der Stigmata festlegte, es sogar bis 1337 dauerte, bis das
Fest der Stigmata im Orden eingeführt wurde, so entstand bereits kurz nach
dem Tod des Franziskus das Bild einer Gründerfigur, die ein zentraler Bezugs-
punkt für den sich dynamisch ausbreitenden Orden wurde und seine Entwick-
lung sichern sollte.26 Bei diesen Vorzeichen verwundert es nicht, dass in zahlrei-
chen Franziskanerklöstern besonders des Mittelmeerraums Franziskus als
Gründer des Konvents angesehen wurde, ein besonders aussagekräftiges Phäno-
men, wenn es sich um reine Tradition handelte, die jeglicher Quellengrundlage
entbehrte, denn in ihr wird der Wunsch nach einem direkten Bezug zum Or-
densgründer deutlich. Auch ist es kaum erwähnenswert, dass er der Patron
zahlreicher Kirchen des Ordens war, in denen man ihm Kapellen und Altäre
gewidmet hatte, die mit Darstellungen von Szenen aus seinem Leben geschmückt
waren, oder dass sein Bild die Siegel des Ordens schmückte. Als Thomas von
Celano 1230 seinem Freund Jordan von Giano, mit dem er gemeinsame Jahre in
der deutschen Ordensprovinz verbracht hat, Reliquien des hl. Franziskus über-
bringt, werden diese feierlich in der Ordenskirche von Eisenach empfangen.27
Bereits zu Lebzeiten des Franziskus waren Differenzen über die Interpreta-
tion seiner Ideale aufgetreten, die ihn als Organisator scheitern ließen und die
der zukünftigen Spaltung des Ordens zugrunde liegen sollten. Nicht alle neuen
Anhänger seiner Lebensweise hatten sein Konzept verstanden und waren mit-
unter auch nicht fähig oder willens sich der extremen Form der Christusnach-
folge zu unterwerfen. Neben dem Problem der Vereinbarkeit des theologischen
Studiums mit dem hohen Grad der von den Brüdern geforderten Demut kam es

26 Ernst Kantorowicz, Kaiser Friedrich der Zweite, Berlin 1927, S. 150-153, S. 157; Andre
Vauchez, Les stigmates de Saint Frangois et leurs detracteurs dans les derniers siecles du
moyen äge, in: Melanges d'archeologie et d'histoire 80 (1968), S. 595-625, hier S. 595, S. 618;
Chiara Frugoni, Francesco e l'invenzione delle stimmate. Una storia per parole e immagini
fino a Bonaventura e Giotto, Turin 1993, S. 12; Felice Accrocca, Un apocrifo la „Lettera
enciclica di frate Elia sul transito di S. Francesco"? in: Collectanea Franciscana 65 (1995),
S. 473-509, hier S. 488-489; Michael Bihl, De epistola encyclica Fr. Heliae circa transitum s.
Francisci, in: Archivum Franciscanum Historicum 23 (1930), S. 410-418; Brooke, The Im-
age of St Francis (wie Anm. 10), S. 31. Auf die Bedeutung einer Legitimationsfigur für einen
Orden und auf die Gefahren, die das Fehlen einer solchen Figur mit sich bringen konnte,
weist hin: Kaspar Elm, Die Bedeutung historischer Legitimation für Entstehung, Funktion
und Bestand des mittelalterlichen Ordenswesens, in: Herkunft und Ursprung. Historische
und mythische Formen der Legitimation, hg. von Peter Wunderli, Sigmaringen 1994, S. 71-
90, hier S. 72-73.

27 Chronica Fratris Jordani, hg. von Heinrich Boehmer (Collection d'Etudes et de Documents
6), Paris 1908, cap. 59, S. 50-52. Rosalind Brooke betont dagegen, dass Jordan von Giano an
die Reliquien gar nicht mehr gedacht habe, Brooke, The Image of St Francis (wie Anm. 10),
S. 49. Oktavian Schmucki, Franz (Franziskus) von Assisi, Lexikon der christlichen Ikono-
graphie, Freiburg/Br. 1974, Bd. 6, Sp. 260-266, hier Sp. 265-266.
 
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