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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0172
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Klösterliche Innovationsleistungen im technisch-ökonomischen Bereich 1 171

Vorsicht ist freilich geboten, da der Begriff der Innovation ganz allgemein mitt-
lerweile zu einem viel- oder gar abgenutzten Modewort recht verschwommenen
Inhalts verkümmert.6 In der Wissenschaft wird darunter in Fortführung von An-
sätzen Joseph Alois Schumpeters zunächst ein Prozess verstanden, in dessen Ver-
lauf eine Erfindung (inventio) in eine Marktanwendung (innovatio) umgesetzt und
schließlich verbreitet wird (diffusio).7 Große Bedeutung in einer so umrissenen In-
novationsgeschichte kommt darüber hinaus dem Wechselspiel von Innovation und
Imitation zu.8 Weniger oder eigentlich gar nicht mit dem Vorgang der inventio,
sondern vielmehr mit dem darauf folgenden Schritt der innovatio werden wir uns
auf den nächsten Seiten näher befassen. Denn im Regelfall lassen sich Mönche
nicht direkt als Erfinder nachweisen, wohlgemerkt aber wiederholt und wirk-
mächtig als diejenigen, die Erfindungen einer sinnvollen praktischen Umsetzung
im genannten Sinne der innovatio zuführten und für deren weitere Verbreitung
(diffusio) sorgten. Genau genommen setzte auch Eilmer nach der im Mythos fest-
gehaltenen inventio eines Fluggeräts an und bemühte sich - vergeblich - um seine
innovatio. Zur Annäherung an das Themenfeld technisch-ökonomischer Innova-
tionen im klösterlichen Bereich werden wir erstens einen kurzen kritischen Blick
auf die bisherige Forschung zum Thema werfen, zweitens eine Auswahl an inno-
vatorischen Beispielen betrachten - Vollständigkeit kann hier angesichts des be-
grenzten Raumes nicht erwartet und erzielt werden - und drittens nach konkreten
Hintergründen einer monastischen Affinität zu solchen Innovationen fragen.
1. Der Blick auf die Forschung
Die Betrachtung von Lebensentwürfen und Ordnungsmodellen in der mittel-
alterlichen Klosterwelt als expliziten Teil monastischer Innovationsgeschichte,
wie sie im interakademischen Projekt unternommen wird, dessen Aufmerksam-
keit den mittelalterlichen Klöstern als „Labor[en] für Innovation" gilt, ist eine
vergleichsweise rezente Entwicklung der Forschung.9 Sie verdankt sich im

6 Ebd, S. 9-11 (dort wird ein „Innovations-Hype" erwähnt); Tom Kehrbaum, Innovation als
sozialer Prozess. Die Grounded Theory als Methodologie und Praxis der Innovationsfor-
schung (VS Research), Wiesbaden 2009, S. 17.

7 Hesse/Oschema, Aufbruch (wie Anm. 3), S. 18. - Schumpeter selbst verwendete nicht den
Terminus technicus der „Innovation", sondern gebrauchte den Begriff der „neuen Kombina-
tion". Siehe dazu Joseph Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Eine Un-
tersuchung über Unternehmergewinn, Kapital, Kredit, Zins und den Konjunkturzyklus,
München 21926, S. 100.

8 Siehe hierzu grundlegend Schumpeter, Theorie (wie Anm. 7).

9 Stefan Weinfurter, Innovation in Klöstern und Orden des Hohen Mittelalters. Zusam-
menfassung, in: Innovation in Klöstern und Orden des Hohen Mittelalters. Aspekte und
 
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