238 I Leonie Silberer
und der zunehmenden Konventualisierung des Ordens.2 Die konfliktreiche
Entwicklung, bei der die absolute Verbindlichkeit des Armutsgebots im Testa-
ment des Ordensgründers durch päpstliche Erlasse unwirksam erklärt wurde,3
hatte eine große Relevanz für Bau, Anlage und Gestaltung franziskanischer
Klostergebäude. Widerstrebte Franziskus doch jeglicher Besitz und jeder stei-
nerne Bau,4 und seine frühen Zeitgenossen wollten buchstäblich nicht einmal
wissen, was ein Kloster sei.5 Dass die Franziskaner sogar als Eremiten leben
konnten, zeigt die Überlieferung einer eigenen Regel der Brüder für Einsiede-
leien (sog. Regula pro eremitoriis data).6 Besitzlosigkeit und Unbehaustheit sind
auch in den früh verfassten Regeln des Ordens als Idealzustand festgehalten: Die
bullierte Regel von 1221 ermahnt die Brüder, sich keinen Ort „anzueignen oder
einem anderen streitig zu machen".7 Die bullierte Regel aus dem Jahr 1223
Anregung durch die Tagung „Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religi-
öser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa" im Februar 2019.
2 Aus der Fülle der Forschungsliteratur zu Armutsanspruch, Armutsstreit und Observanz sei
hier verwiesen auf Gert Melville, Die Welt der mittelalterlichen Klöster. Geschichte und
Lebensformen, München 2012, S. 180, S. 247-255 sowie Gelobte Armut. Armutskonzepte
der franziskanischen Ordensfamilie vom Mittelalter bis in die Gegenwart, hg. von Heinz-
Dieter HEIMANN/Angelica HILSEBEIN/Bernd ScHMiEs/Christoph Stiegemann, Paderborn
u. a. 2012, darin besonders: Jürgen Miethke, Der „theoretische Armutstreit" im 14. Jahr-
hundert. Papst und Franziskanerorden im Konflikt um die Armut, ebd., S. 243-283.
3 Melville, Welt (wie Anm. 2), S. 193; Herbert Grundmann, Die Bulle „Quo elongati" Papst
Gregors IX, in: Archivum Franciscanum historicum 54 (1961), S. 3-25.
4 Vgl. Sebastian Mickisch, Gedachter und gebauter Raum im Spannungsfeld zwischen Innen
und Außen. Über Entstehung, Nutzung und Legitimation von Gebäuden bei den Minder-
brüdern von Franziskus bis Bonaventura, in: Die Klöster der Franziskaner im Mittelalter:
Räume, Nutzungen, Symbolik, hg. von Gert MELVILLE/Leonie SiLBERER/Bernd Schmies
(Vita Regularis. Abhandlungen 63), Berlin 2015, S. 45-72, bes. S. 67. Ausführlicher zur ableh-
nenden Haltung zu (steinernen) Kloster- und Kirchengebäuden und ihrem Wandel in den
verschiedenen Viten des Franziskus Silberer, Domus (wie Anm. 1), S. 26-29.
5 Nescio, quid sit claustrum; tantum aedificate nobis domum prope aquam, nt ad lavandum
pedes in ipsam descendere possimus. Chronica fratris Jordani, hg. von Heinrich Boehmer
(Collection d'etudes et de documents sur 1'histoire religieuse et litteraire du Moyen-Age VI),
Paris 1908, S. 39. Dazu bereits Matthias Untermann/ Leonie Silberer, Die Klosterbauten
[Kap. V.3.3.], in: Kunst. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, hg. von Roland Pieper (Ge-
schichte der Sächsischen Franziskanerprovinz von der Gründung bis zum Anfang des
21. Jahrhunderts 5), Paderborn u. a. 2012, S. 183-219, S. 183.
6 Jean-Frangois Godet-Calogeras, Illi qui volunt religiose stare in eremis: Eremitical Prac-
tice in the Life of the Early Franciscans, in: Franciscans at prayer, hg. von Timothy Johnson
(The medieval Franciscans 4), Leiden u. a. 2007, S. 307-332 mit Forschungsüberblick. Maß-
geblich zu Regel und eremitischer Praxis: Gert Melville, Quoniam ubicumque sumus et
ambulamus, habemus cellam nobiscum. Franziskus von Assisi und die räumlichen Muster
der „vita eremitica", in: Die Klöster der Franziskaner (wie Anm. 4), S. 105-123 sowie Mi-
ckisch, Gedachter und gebauter Raum (wie Anm. 4).
7 Franziskus-Quellen. Die Schriften des Heiligen Franziskus, Lebensbeschreibungen, Chro-
niken und Zeugnisse über ihn und seine Orden, hg. von Dieter BERG/Leonhard Lehmann
und der zunehmenden Konventualisierung des Ordens.2 Die konfliktreiche
Entwicklung, bei der die absolute Verbindlichkeit des Armutsgebots im Testa-
ment des Ordensgründers durch päpstliche Erlasse unwirksam erklärt wurde,3
hatte eine große Relevanz für Bau, Anlage und Gestaltung franziskanischer
Klostergebäude. Widerstrebte Franziskus doch jeglicher Besitz und jeder stei-
nerne Bau,4 und seine frühen Zeitgenossen wollten buchstäblich nicht einmal
wissen, was ein Kloster sei.5 Dass die Franziskaner sogar als Eremiten leben
konnten, zeigt die Überlieferung einer eigenen Regel der Brüder für Einsiede-
leien (sog. Regula pro eremitoriis data).6 Besitzlosigkeit und Unbehaustheit sind
auch in den früh verfassten Regeln des Ordens als Idealzustand festgehalten: Die
bullierte Regel von 1221 ermahnt die Brüder, sich keinen Ort „anzueignen oder
einem anderen streitig zu machen".7 Die bullierte Regel aus dem Jahr 1223
Anregung durch die Tagung „Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religi-
öser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa" im Februar 2019.
2 Aus der Fülle der Forschungsliteratur zu Armutsanspruch, Armutsstreit und Observanz sei
hier verwiesen auf Gert Melville, Die Welt der mittelalterlichen Klöster. Geschichte und
Lebensformen, München 2012, S. 180, S. 247-255 sowie Gelobte Armut. Armutskonzepte
der franziskanischen Ordensfamilie vom Mittelalter bis in die Gegenwart, hg. von Heinz-
Dieter HEIMANN/Angelica HILSEBEIN/Bernd ScHMiEs/Christoph Stiegemann, Paderborn
u. a. 2012, darin besonders: Jürgen Miethke, Der „theoretische Armutstreit" im 14. Jahr-
hundert. Papst und Franziskanerorden im Konflikt um die Armut, ebd., S. 243-283.
3 Melville, Welt (wie Anm. 2), S. 193; Herbert Grundmann, Die Bulle „Quo elongati" Papst
Gregors IX, in: Archivum Franciscanum historicum 54 (1961), S. 3-25.
4 Vgl. Sebastian Mickisch, Gedachter und gebauter Raum im Spannungsfeld zwischen Innen
und Außen. Über Entstehung, Nutzung und Legitimation von Gebäuden bei den Minder-
brüdern von Franziskus bis Bonaventura, in: Die Klöster der Franziskaner im Mittelalter:
Räume, Nutzungen, Symbolik, hg. von Gert MELVILLE/Leonie SiLBERER/Bernd Schmies
(Vita Regularis. Abhandlungen 63), Berlin 2015, S. 45-72, bes. S. 67. Ausführlicher zur ableh-
nenden Haltung zu (steinernen) Kloster- und Kirchengebäuden und ihrem Wandel in den
verschiedenen Viten des Franziskus Silberer, Domus (wie Anm. 1), S. 26-29.
5 Nescio, quid sit claustrum; tantum aedificate nobis domum prope aquam, nt ad lavandum
pedes in ipsam descendere possimus. Chronica fratris Jordani, hg. von Heinrich Boehmer
(Collection d'etudes et de documents sur 1'histoire religieuse et litteraire du Moyen-Age VI),
Paris 1908, S. 39. Dazu bereits Matthias Untermann/ Leonie Silberer, Die Klosterbauten
[Kap. V.3.3.], in: Kunst. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, hg. von Roland Pieper (Ge-
schichte der Sächsischen Franziskanerprovinz von der Gründung bis zum Anfang des
21. Jahrhunderts 5), Paderborn u. a. 2012, S. 183-219, S. 183.
6 Jean-Frangois Godet-Calogeras, Illi qui volunt religiose stare in eremis: Eremitical Prac-
tice in the Life of the Early Franciscans, in: Franciscans at prayer, hg. von Timothy Johnson
(The medieval Franciscans 4), Leiden u. a. 2007, S. 307-332 mit Forschungsüberblick. Maß-
geblich zu Regel und eremitischer Praxis: Gert Melville, Quoniam ubicumque sumus et
ambulamus, habemus cellam nobiscum. Franziskus von Assisi und die räumlichen Muster
der „vita eremitica", in: Die Klöster der Franziskaner (wie Anm. 4), S. 105-123 sowie Mi-
ckisch, Gedachter und gebauter Raum (wie Anm. 4).
7 Franziskus-Quellen. Die Schriften des Heiligen Franziskus, Lebensbeschreibungen, Chro-
niken und Zeugnisse über ihn und seine Orden, hg. von Dieter BERG/Leonhard Lehmann