260 I Jörg Voigt
Beginenwesens anknüpfen und sich dabei sowohl seinen Traditionen als auch
Innovationen widmen. Dies kann jedoch nur eine erste Annäherung an diese
komplexe Thematik sein und einige Perspektiven für die Forschung bieten, die
bisher weniger im Fokus standen.
Bei der Frage nach den Traditionen und Innovationen des Beginenwesens sol-
len zwei Quellen genauer untersucht werden, die zu den bekannten Nachrichten
aus der Frühzeit dieser religiösen Lebensform von Frauen zählen. Zum einen ist
dies der berühmte Brief, den der hochstehende und kuriennahe Geistliche Jakob
von Vitry Anfang Oktober 1216 von Genua aus an einen ihm nahestehenden
Kleriker in Lüttich schickte. Darin teilte er mit, dass er vom wenige Monate
zuvor gekrönten Papst Honorius III. eine Litterae erhalten hätte, durch die den
religiösen Frauen nicht nur im Bistum Lüttich, sondern auch in Frankreich und
Deutschland ein Zusammenleben gestattet wurde.2 Mit Blick auf den Text selbst
ist zunächst festzuhalten, dass es sich bei dieser Erlaubnis zu einem Zusammen-
leben der religiösen Frauen, die Jakob von Papst Honorius erhalten hat, um eine
schriftliche Bestätigung gehandelt hat. Dafür spricht vor allem die Formulie-
rung, dass er vom Papst diese Litterae erlangt habe (ab ipso [...] litteras [...] im-
petravi), dass also sein Anliegen bereits seitens Honorius' III. entschieden und
durch die kuriale Verwaltung bearbeitet wurde.
Hervorzuheben ist weiterhin, dass in dieser Litterae auch Exekutoren und
Protektoren benannt wurden (cum executoribus et protectoribus). Bei den Exe-
kutoren handelt es sich um kuriale Amtsträger, die im Zuge der Entwicklung
des päpstlichen Benefizialwesens ab dem 13. Jahrhundert zunehmend an Bedeu-
tung gewannen, da sie für den rechtlichen Ablauf von Besetzungen geistlicher
Stellen verantwortlich waren.3 Neben dieser Bedeutung bei der Umsetzung von
2 Lettres de Jacques de Vitry (1160/1170-1240) eveque de Saint-Jean-d'Acre. Edition critique,
hg. von Robert B. C. Huygens, Leiden 1960, S. 74: Obtinui preterea ab ipso [sc. Papst Hono-
rius III.; Anm. J.V.], et litteras cum executoribus et protectoribus impetravi, ut liceret mulie-
ribus religiosis non solum in episcopate Leodinensis, sed tarn in regno quam in imperio in ea-
dem domo simul manere et sese invicem mutuis exhortationibus ad bonum invitare; zur
Datierung siehe ebd., S. 52. Zur Deutung der Begriffe regnum und imperium siehe Voigt,
Beginen (wie Anm. 1), S. 38 ; zu Leben und Werk von Jakob von Vitry siehe lacobi de Vitria-
co, Sermones vulgares vel ad status. Prologus I-XXXVI, hg. von Jean Longere (Corpus
Christianorum. Continuatio Mediaevalis 255), Turnhout 2013, S. VII-LXXVII; zu diesem
Themenkomplex siehe auch die wichtige Studie von Walter Simons, Beginnings: Naming
Beguines in the Southern Low Countries, 1200-50, in: Labels and Libels. Naming Beguines
in Northern Medieval Europe, hg. von Letha BÖHRINGER/Jennifer Kolpacoff DEANE/Hildo
van Engen (Sanctimoniales 1), Turnhout 2014, S. 9-52.
3 Zu den grundlegenden Arbeiten zählen die demnächst in neubearbeiteter Fassung posthum
erscheinenden Studien von Brigide Schwarz, Alle Wege führen über Rom. Beziehungsge-
flechte und Karrieren von Klerikern aus Hannover im Spätmittelalter (Veröffentlichungen der
Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 302), Göttingen 2021 [im Druck],
Beginenwesens anknüpfen und sich dabei sowohl seinen Traditionen als auch
Innovationen widmen. Dies kann jedoch nur eine erste Annäherung an diese
komplexe Thematik sein und einige Perspektiven für die Forschung bieten, die
bisher weniger im Fokus standen.
Bei der Frage nach den Traditionen und Innovationen des Beginenwesens sol-
len zwei Quellen genauer untersucht werden, die zu den bekannten Nachrichten
aus der Frühzeit dieser religiösen Lebensform von Frauen zählen. Zum einen ist
dies der berühmte Brief, den der hochstehende und kuriennahe Geistliche Jakob
von Vitry Anfang Oktober 1216 von Genua aus an einen ihm nahestehenden
Kleriker in Lüttich schickte. Darin teilte er mit, dass er vom wenige Monate
zuvor gekrönten Papst Honorius III. eine Litterae erhalten hätte, durch die den
religiösen Frauen nicht nur im Bistum Lüttich, sondern auch in Frankreich und
Deutschland ein Zusammenleben gestattet wurde.2 Mit Blick auf den Text selbst
ist zunächst festzuhalten, dass es sich bei dieser Erlaubnis zu einem Zusammen-
leben der religiösen Frauen, die Jakob von Papst Honorius erhalten hat, um eine
schriftliche Bestätigung gehandelt hat. Dafür spricht vor allem die Formulie-
rung, dass er vom Papst diese Litterae erlangt habe (ab ipso [...] litteras [...] im-
petravi), dass also sein Anliegen bereits seitens Honorius' III. entschieden und
durch die kuriale Verwaltung bearbeitet wurde.
Hervorzuheben ist weiterhin, dass in dieser Litterae auch Exekutoren und
Protektoren benannt wurden (cum executoribus et protectoribus). Bei den Exe-
kutoren handelt es sich um kuriale Amtsträger, die im Zuge der Entwicklung
des päpstlichen Benefizialwesens ab dem 13. Jahrhundert zunehmend an Bedeu-
tung gewannen, da sie für den rechtlichen Ablauf von Besetzungen geistlicher
Stellen verantwortlich waren.3 Neben dieser Bedeutung bei der Umsetzung von
2 Lettres de Jacques de Vitry (1160/1170-1240) eveque de Saint-Jean-d'Acre. Edition critique,
hg. von Robert B. C. Huygens, Leiden 1960, S. 74: Obtinui preterea ab ipso [sc. Papst Hono-
rius III.; Anm. J.V.], et litteras cum executoribus et protectoribus impetravi, ut liceret mulie-
ribus religiosis non solum in episcopate Leodinensis, sed tarn in regno quam in imperio in ea-
dem domo simul manere et sese invicem mutuis exhortationibus ad bonum invitare; zur
Datierung siehe ebd., S. 52. Zur Deutung der Begriffe regnum und imperium siehe Voigt,
Beginen (wie Anm. 1), S. 38 ; zu Leben und Werk von Jakob von Vitry siehe lacobi de Vitria-
co, Sermones vulgares vel ad status. Prologus I-XXXVI, hg. von Jean Longere (Corpus
Christianorum. Continuatio Mediaevalis 255), Turnhout 2013, S. VII-LXXVII; zu diesem
Themenkomplex siehe auch die wichtige Studie von Walter Simons, Beginnings: Naming
Beguines in the Southern Low Countries, 1200-50, in: Labels and Libels. Naming Beguines
in Northern Medieval Europe, hg. von Letha BÖHRINGER/Jennifer Kolpacoff DEANE/Hildo
van Engen (Sanctimoniales 1), Turnhout 2014, S. 9-52.
3 Zu den grundlegenden Arbeiten zählen die demnächst in neubearbeiteter Fassung posthum
erscheinenden Studien von Brigide Schwarz, Alle Wege führen über Rom. Beziehungsge-
flechte und Karrieren von Klerikern aus Hannover im Spätmittelalter (Veröffentlichungen der
Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen 302), Göttingen 2021 [im Druck],