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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Editor]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0264
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Traditionen und Innovationen bei der Herausbildung des Beginenwesens 1 263

Diese Ausgestaltung der rechtlichen Grundlagen wird mit der raschen Expan-
sion des Ordens vor allem ab den 1230er Jahren zusammengehangen haben. Die
einzelnen Niederlassungen verfügten bereits kurze Zeit nach ihrer Gründung
über eine steigende Zahl von Besitztiteln und Einkünften, die eine rechtliche
Absicherung notwendig machten. Ebenfalls zog das Ende der 1220er Jahre
übertragene Recht, Nonnen und deren Familienmitglieder bei den Kirchen der
einzelnen Niederlassungen zu beerdigen, tiefe rechtliche Einschnitte in die
Pfarrorganisation nach sich.10 Auch hier dürfte wachsender Regelungsbedarf
und ein Interessenausgleich zwischen der Ordensniederlassung und den Pfarr-
angehörigen bestanden haben.
Kommen wir an dieser Stelle wieder zurück zu Jakob von Vitry und der
päpstlichen Erlaubnis der Lebensform der mulieres religiosae. Mit Blick auf
diese beiden Amtsbezeichnungen der Exekutoren und der Protektoren weist
Jakob von Vitry schon im Herbst 1216 bei der Ausgestaltung der rechtlichen
Grundlagen des Zusammenlebens der religiösen Frauen, aus denen das Begi-
nenwesen hervorging, eine bemerkenswerte Weitsicht auf. Eine Rückbindung
dieser Grundlagen an das Papsttum durch eine päpstliche Bestätigung und die
Einbeziehung von päpstlich berufenen Amtsträgern, wie es in der Frühphase
der wenige Jahre später sich herausbildenden Magdalenerinnen, aber auch der
Bettelorden der Fall sein wird, ist das deutlich erkennbare Ziel, das Jakob ver-
folgte. Auch wenn die Hintergründe noch weiter zu erforschen sind, so sind
darin wichtige Anhaltspunkte des frühen Beginenwesens greifbar, dessen Be-
darf an juristischen Grundlagen und kuriennahen Klerikern er früh erkannte
und über das Bistum Lüttich hinaus in den Blick nahm.12 An erster Stelle ist dies
Bettelorden vergleichbaren Gremien der Ordensleitung (zu den frühen Belegen von Provin-
zialprioren zählt eine Urkunde aus dem frühen 14. Jahrhundert, die von frater Conradus
prior provincialis monasteriorum beate Marie Magdalene ausgestellt wurde, vgl. Urkunden-
buch der Stadt Goslar und der in und bei Goslar gelegenen geistlichen Stiftungen, 3. Teil:
1301-1335, bearb. von Georg Bode (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzen-
der Gebiete 31), Halle 1900, Nr. 67).
10 Urkundenbuch der Stadt Hildesheim, 1. Teil: Ca. 996-1346, bearb. von Richard Doebner,
Aalen 1980, Nr. 105; Regest bei Brigide Schwarz, Regesten der in Niedersachsen und Bre-
men überlieferten Papsturkunden 1198-1503 (Veröffentlichungen der Historischen Kom-
mission für Niedersachsen und Bremen XXXVII/15), Hannover 1993, Nr. 205.
11 Auf die mulieres religiosae geht er weiterhin im Prolog seiner Lebensbeschreibung von Maria
von Oignies ein, vgl. Iacobvs de Vitriaco, Vita Marie de Oegnies. Thomas Cantipratensis,
Supplementum, hg. von Robert B. C. Huygens (Corpus Christianorum 252), Turnhout
2012; die deutsche Übersetzung: Jakob von Vitry, Das Leben der Maria von Oignies. Thomas
von Cantimpre - Supplementum, bearb. von Iris Geyer (Corpus Christianorum in Transla-
tion 18), Turnhout 2014.
12 Jakob von Vitry ist somit der erste hochrangige Kleriker, der die überregionalen Zusammen-
hänge des frühen Beginenwesens zum Ausdruck brachte. Neben den hier dargelegten Zusam-
 
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