Metadaten

Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0265
Lizenz: In Copyright

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
264 I Jörg Voigt

die beginnende Gemeinschaftsbildung der religiös lebenden Frauen ohne Or-
densanbindung. Neben dieser Weitsicht ist dieser Brief auch deswegen von Be-
deutung, da sich darin verschiedene von der Kurie bestellte Amtsträger wider-
spiegeln, die bei den vor allem in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts
gegründeten Orden eine Rolle spielen werden.
Die Frage, warum von dieser päpstlichen Erlaubnis kein Original bzw. keine
Abschrift überliefert ist, überrascht. Jakob von Vitry hat damit schließlich eine
wichtige rechtliche Absicherung für die mulieres religiosae erlangt, und dies
über die Grenzen des Bistums Lüttich hinaus! Jedoch hat er selbst nicht wieder
darauf Bezug genommen. An erster Stelle ist dabei an seine Predigten zu den-
ken, die er zwischen 1229 und 1240 verschriftlichte.13 In seiner Predigt Ad virgi-
nes sagt er, dass die prudentes et devote virgines, die nicht ohne Gefahr im Haus
ihrer Eltern leben können, ein Leben in einem Kloster anstreben. Falls sie in
diesen Klöstern jedoch nicht bleiben können, dann sollen sie gemeinsam in ei-
nem Haus leben, der Leitung (discipline) einer aus ihrer Mitte unterstehen, die
die anderen an Tugend und Umsicht übertrifft, und dort ein religiöses Leben
führen.14 Ebenfalls fehlt ein Bezug zu den Beginen in seiner Historia Occiden-
telis, die in die frühen 1220er Jahre datiert.15
menhängen sei auch an seinen berühmten Überblick über die Bezeichnungen der Beginen in
Westeuropa erinnert: Hec vwlt esse Beguina - sic enim nominantur in Flandria et Brabancia -,
vel Papelarda - sic enim appellantur in Francia -, vel Humilitata - sicut dicitur in Lumbar-
dia -, vel Bizoke - secundum quod dicitur in Ytalia -, vel Coquenunne' - ut dicitur in Theoto-
nia. Joseph Greven, Der Ursprung des Beginenwesens. Eine Auseinandersetzung mit Go-
defroid Kurth, in: Historisches Jahrbuch 35 (1914), S. 26-58 und S. 291-318, hier S. 44-45.
13 Jean Longere, Quatre sermons ad religiosas de Jacques de Vitry, in: Les Religieuses en
France au XIIIe siecle, hg. von Michel Parisse, Nancy 1985, S. 215-300.
14 Greven, Der Ursprung (wie Anm. 12), S. 46-47: Propterea quedamprudentes et devote vir-
gines, cum in domibusparentum inter seeklares et impudicas personas absque magno et gravi
periculo non valeant commorari, maxime hiis diebus ad monasteria confugiunt, que Dominus
in universo mundo multiplicavit. Que autem monasteria, in quibus recipiantur, reperire non
possunt, simul in una domo vivunt [...]; et sub disciplina unius, que aliis honestate et pruden-
tia preminet, tarn moribus quam litteris instruuntur, in vigiliis et orationibus, in ieiuniis et
variis afflictionibus, in labore manuum et paupertate, in abiectione et humilitate.
15 In seiner Historia Occidentalis geht er an einer Stelle auf Frauen und Männer im Hospital-
dienst ein und sagt, dass sie vivunt autem secundum sancti Augustini regulam absque proprio
et in communi sub unius maioris obedientia, et, habitu regulari suscepto, perpetuam Domino
promittunt continentiam, vgl. The Historia Occidentalis of Jacques de Vitry. A critical editi-
on, hg. von John Frederick Hinnebusch (Spicilegium Friburgense 17), Fribourg 1972, S. 147;
weiterführende Erläuterungen finden sich darin auch auf S. 276-277. An etwas versteckter
Stelle wird darüber hinaus deutlich, dass es wenige Jahre nach der von Jakob von Vitry er-
langten päpstlichen Bestätigung weitere Bemühungen gab, um kurialen Rückhalt für das Be-
ginenwesen zu erhalten. Der Kleriker Johannes de Liro, mit dem Jakob von Vitry in engem
Kontakt stand, ist nach September 1220 für die mulieres religiöse in Brabant nach Rom auf-
gebrochen, die Belästigungen ausgesetzt waren: Curiam ergo Romanam idem Joannes pro
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften