Traditionen und Innovationen bei der Herausbildung des Beginenwesens 1 267
wesentliche Merkmale einer Frömmigkeitsform von Frauen ab dem zweiten
Viertel des 13. Jahrhunderts.22 Im Jahre 1238 wurde z. B. eine Urkunde von der
Erfurter Bürgerschaft ausgestellt, in der die Schenkung eines Hofes festgehalten
ist, den vier Frauen an die Dominikaner in Erfurt übergeben hatten. Diese
Frauen, so heißt es im Urkundentext, waren Gott geweiht und führten - offen-
bar in Gemeinschaft - ein enthaltsames Leben (Deo dicate et contintentes).23 Ein
weiteres Beispiel bezieht sich auf die Beginen in Köln. Im Jahre 1247 bestimmte
der Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden, dass die als Beginen in der Stadt
und in der Diözese Köln lebenden Jungfrauen und Witwen (dilectis in christo
filiabns virginibus ac viduis begginis in civitate et dyocesi Coloniensi degentibus)
dem Pfarrklerus keine höheren Abgaben zu entrichten haben, als es für die
Schöffen und Bürger Kölns üblich war. Als Grundlage der Lebensform der Be-
ginen nennt der Erzbischof das Gelübde der Enthaltsamkeit.24
Das hier in einer Quellenauswahl überlieferte Keuschheitsgelübde - verbun-
den mit der Übernahme eines Gewandes - war das zentrale Wesensmerkmal für
das Leben als Begine. Zu fragen ist nun nach den konkreten rechtlichen Auswir-
kungen, die daran geknüpft waren. Das Keuschheitsgelübde - votum bzw. pro-
positum castitatis - von Frauen hat in der Geschichte des Christentums eine
lange Tradition, was an dieser Stelle nicht vertieft werden kann.25 Vielmehr soll
der Blick auf das 12. Jahrhundert und den kanonistischen Diskurs um die
verschiedenen Arten der Gelübde gerichtet werden.26 In der Kanonistik des
12. Jahrhunderts wurde im Wesentlichen zwischen zwei Formen von Gelübden
unterschieden, und zwar zwischen jenem, das in der Regel im Rahmen eines
öffentlichen und feierlichen Aktes abgelegt wurde, und jenem, das auf einem
einfachen Versprechen fußte.27 Beide Formen wurden terminologisch voneinan-
22 Zur Bedeutung des Gewandes vgl. Klaus Schreiner, Das Ordenskleid als Gnadengabe. Cha-
rismatische Deutungen einer klösterlichen Institution, in: Institution (wie Anm. 5), S. 401-423.
23 Urkundenbuch der Stadt Erfurt, Teil 1, bearb. von Carl Beyer (Geschichtsquellen der Pro-
vinz Sachsen und angrenzender Gebiete 23), Halle 1889, Nr. 117; siehe dazu Voigt, Beginen
(wie Anm. 1), S. 114 (mit Anm. 487).
24 Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, Bd. 2, hg. von Leonard ENNEN/Gottfried Eckertz,
Köln 1863, Nr. 270: cum voto continentie deo vos voveritis servituras.
25 Eine Einführung bietet Pier Franco Beatrice, Art. „Keuschheit (Historisch)", in: Theologi-
sche Realenzyklopädie, Bd. 18, Berlin/New York 1989, S. 120-130, und Rene Metz, La con-
secration des vierges dans Teglise romaine. Etude d'histoire de la liturgie (Bibliotheque de
I'lnstitut de Droit Canonique de 1'Universite de Strasbourg 4), Paris 1954.
26 Lars-Arne Dannenberg, Das Recht der Religiösen in der Kanonistik des 12. und 13. Jahr-
hunderts (Vita regularis. Abhandlungen 39), Berlin/Münster 2008, S. 154-168.
27 Siehe dazu auch Dominicus Michael Meier, Die Rechtswirkungen der klösterlichen Profeß.
Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung der monastischen Profeß und ihrer Rechtswirkun-
gen unter Berücksichtigung des Staatskirchenrechts (Europäische Hochschulschriften. Rei-
he 23/Theologie 486), Frankfurt a. M. 1993, S. 217-250.
wesentliche Merkmale einer Frömmigkeitsform von Frauen ab dem zweiten
Viertel des 13. Jahrhunderts.22 Im Jahre 1238 wurde z. B. eine Urkunde von der
Erfurter Bürgerschaft ausgestellt, in der die Schenkung eines Hofes festgehalten
ist, den vier Frauen an die Dominikaner in Erfurt übergeben hatten. Diese
Frauen, so heißt es im Urkundentext, waren Gott geweiht und führten - offen-
bar in Gemeinschaft - ein enthaltsames Leben (Deo dicate et contintentes).23 Ein
weiteres Beispiel bezieht sich auf die Beginen in Köln. Im Jahre 1247 bestimmte
der Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden, dass die als Beginen in der Stadt
und in der Diözese Köln lebenden Jungfrauen und Witwen (dilectis in christo
filiabns virginibus ac viduis begginis in civitate et dyocesi Coloniensi degentibus)
dem Pfarrklerus keine höheren Abgaben zu entrichten haben, als es für die
Schöffen und Bürger Kölns üblich war. Als Grundlage der Lebensform der Be-
ginen nennt der Erzbischof das Gelübde der Enthaltsamkeit.24
Das hier in einer Quellenauswahl überlieferte Keuschheitsgelübde - verbun-
den mit der Übernahme eines Gewandes - war das zentrale Wesensmerkmal für
das Leben als Begine. Zu fragen ist nun nach den konkreten rechtlichen Auswir-
kungen, die daran geknüpft waren. Das Keuschheitsgelübde - votum bzw. pro-
positum castitatis - von Frauen hat in der Geschichte des Christentums eine
lange Tradition, was an dieser Stelle nicht vertieft werden kann.25 Vielmehr soll
der Blick auf das 12. Jahrhundert und den kanonistischen Diskurs um die
verschiedenen Arten der Gelübde gerichtet werden.26 In der Kanonistik des
12. Jahrhunderts wurde im Wesentlichen zwischen zwei Formen von Gelübden
unterschieden, und zwar zwischen jenem, das in der Regel im Rahmen eines
öffentlichen und feierlichen Aktes abgelegt wurde, und jenem, das auf einem
einfachen Versprechen fußte.27 Beide Formen wurden terminologisch voneinan-
22 Zur Bedeutung des Gewandes vgl. Klaus Schreiner, Das Ordenskleid als Gnadengabe. Cha-
rismatische Deutungen einer klösterlichen Institution, in: Institution (wie Anm. 5), S. 401-423.
23 Urkundenbuch der Stadt Erfurt, Teil 1, bearb. von Carl Beyer (Geschichtsquellen der Pro-
vinz Sachsen und angrenzender Gebiete 23), Halle 1889, Nr. 117; siehe dazu Voigt, Beginen
(wie Anm. 1), S. 114 (mit Anm. 487).
24 Quellen zur Geschichte der Stadt Köln, Bd. 2, hg. von Leonard ENNEN/Gottfried Eckertz,
Köln 1863, Nr. 270: cum voto continentie deo vos voveritis servituras.
25 Eine Einführung bietet Pier Franco Beatrice, Art. „Keuschheit (Historisch)", in: Theologi-
sche Realenzyklopädie, Bd. 18, Berlin/New York 1989, S. 120-130, und Rene Metz, La con-
secration des vierges dans Teglise romaine. Etude d'histoire de la liturgie (Bibliotheque de
I'lnstitut de Droit Canonique de 1'Universite de Strasbourg 4), Paris 1954.
26 Lars-Arne Dannenberg, Das Recht der Religiösen in der Kanonistik des 12. und 13. Jahr-
hunderts (Vita regularis. Abhandlungen 39), Berlin/Münster 2008, S. 154-168.
27 Siehe dazu auch Dominicus Michael Meier, Die Rechtswirkungen der klösterlichen Profeß.
Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung der monastischen Profeß und ihrer Rechtswirkun-
gen unter Berücksichtigung des Staatskirchenrechts (Europäische Hochschulschriften. Rei-
he 23/Theologie 486), Frankfurt a. M. 1993, S. 217-250.