Traditionen und Innovationen bei der Herausbildung des Beginenwesens 1 269
An dieser Stelle könnten zahlreiche Beginengemeinschaften genannt werden,
die ab dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts in den Regionen nördlich der
Alpen gegründet wurden. Zu den frühen Belegen zählen beispielsweise Nieder-
lassungen in Köln, Osnabrück, Erfurt und Würzburg.31 Im Verlauf des Spätmit-
telalters stieg deren Zahl rasant.32 Die Entwicklung von Beginengemeinschaften
zu eigenen Rechtskörperschaften kann in Zusammenhang mit der Entwicklung
neuer Personengruppen, Gemeinschaftsformen und Institutionalisierungspro-
z esse gestellt werden, die sich vor allem seit dem 12. Jahrhundert im Zuge der
Urbanisierung und Kommunalisierung ausbildeten.33 Von den zahlreichen ver-
fassungsgeschichtlichen Forschungsergebnissen zu den Stadtwerdungsprozes-
sen, den neuen urbanen Gesellschaftsschichten und Führungsgruppen kann
hier nur eine Auswahl gewürdigt werden.34 Wichtig erscheinen vor allem die
durch die Rezeption des antiken römischen Rechts entstehenden Organisations-
formen von Personenverbänden - hier an erster Stelle die Gemeinschaft der Bür-
ger -, die Rechtscharakter besaßen und deren Vertreter Rechtsgeschäfte ab-
schließen konnten. Wichtige Ergebnisse wurden in den letzten Jahren vor allem
zur Entstehung von Bruderschaften und Hospitälern erzielt.35 Das Bruder-
schafts- und Hospitalwesen wird nicht mehr allein in seiner kultischen bzw.
karitativen Bedeutung gesehen. Vielmehr eröffnete die Selbstverwaltung vor
allem der Hospitäler Spielräume politischen Handelns, wodurch die Gemein-
schaften von Laien eigene Rechtskörper bildeten und erhebliche Partizipations-
31 Letha Böhringer, Kreuzzugsprediger, Domscholaster und fromme Frauen. Beobachtun-
gen zum klerikalen Umfeld der ersten Kölner Beginen, in: Rheinische Vierteljahresblätter 72
(2008), S. 35-53; Karsten Igel, Zwischen Konstanz und Wandel. Beginen in Osnabrück, in:
Das Beginenwesen (wie Anm. 1), S. 137-159; Voigt, Beginen (wie Anm. 1), S. 109-135; Hien,
Das Beginenwesen (wie Anm. 1), S. 47-67.
32 Einen Überblick bietet Frank-Michael Reichstein, Das Beginenwesen in Deutschland. Stu-
dien und Katalog (Wissenschaftliche Schriftenreihe Geschichte 9), Berlin 22017.
33 Wolfgang Huschner, Klöster, Stifte, Kommenden, Prioreien und Orden in Mecklenburg
(10./11.-16. Jahrhundert), in: Mecklenburgisches Klosterbuch, Bd. 1, hg. von Wolfgang
HuscHNER/Ernst MÜNCH/Cornelia Neustadt, Rostock 2016, S. 21-57, hier S. 30, weist auf
die zunehmende kooperationsrechtliche Ausrichtung der Dom- und Stiftskapitel im 12. und
13. Jahrhundert hin.
34 Siehe dazu einleitend Alfred Haverkamp, Leben in Gemeinschaften. Alte und neue Formen
im 12. Jahrhundert, in: Aufbruch - Wandel - Erneuerung. Beiträge zur „Renaissance" des
12. Jahrhunderts, hg. von Georg Wieland (Blaubeurer Symposion 9), Stuttgart 1992, S. 11-
44, und Manfred Groten, Die Geschichte der Stadt im Mittelalter, Stuttgart 2013.
35 Exemplarisch seien hier Mathias Kälble, Sozialfürsorge und kommunale Bewegung. Zur
Bedeutung von Hospitälern für die politische Gruppenbildung in der Stadt, in: Sozialge-
schichte mittelalterlicher Hospitäler, hg. von Neithard BuLST/Karl-Heinz Spiess (Vorträge
und Forschungen 65), Ostfildern 2007, S. 237-271 und Benjamin Laqua, Bruderschaften und
Hospitäler während des hohen Mittelalters. Kölner Befunde in westeuropäisch-vergleichen-
der Perspektive (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 58), Stuttgart 2011, genannt.
An dieser Stelle könnten zahlreiche Beginengemeinschaften genannt werden,
die ab dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts in den Regionen nördlich der
Alpen gegründet wurden. Zu den frühen Belegen zählen beispielsweise Nieder-
lassungen in Köln, Osnabrück, Erfurt und Würzburg.31 Im Verlauf des Spätmit-
telalters stieg deren Zahl rasant.32 Die Entwicklung von Beginengemeinschaften
zu eigenen Rechtskörperschaften kann in Zusammenhang mit der Entwicklung
neuer Personengruppen, Gemeinschaftsformen und Institutionalisierungspro-
z esse gestellt werden, die sich vor allem seit dem 12. Jahrhundert im Zuge der
Urbanisierung und Kommunalisierung ausbildeten.33 Von den zahlreichen ver-
fassungsgeschichtlichen Forschungsergebnissen zu den Stadtwerdungsprozes-
sen, den neuen urbanen Gesellschaftsschichten und Führungsgruppen kann
hier nur eine Auswahl gewürdigt werden.34 Wichtig erscheinen vor allem die
durch die Rezeption des antiken römischen Rechts entstehenden Organisations-
formen von Personenverbänden - hier an erster Stelle die Gemeinschaft der Bür-
ger -, die Rechtscharakter besaßen und deren Vertreter Rechtsgeschäfte ab-
schließen konnten. Wichtige Ergebnisse wurden in den letzten Jahren vor allem
zur Entstehung von Bruderschaften und Hospitälern erzielt.35 Das Bruder-
schafts- und Hospitalwesen wird nicht mehr allein in seiner kultischen bzw.
karitativen Bedeutung gesehen. Vielmehr eröffnete die Selbstverwaltung vor
allem der Hospitäler Spielräume politischen Handelns, wodurch die Gemein-
schaften von Laien eigene Rechtskörper bildeten und erhebliche Partizipations-
31 Letha Böhringer, Kreuzzugsprediger, Domscholaster und fromme Frauen. Beobachtun-
gen zum klerikalen Umfeld der ersten Kölner Beginen, in: Rheinische Vierteljahresblätter 72
(2008), S. 35-53; Karsten Igel, Zwischen Konstanz und Wandel. Beginen in Osnabrück, in:
Das Beginenwesen (wie Anm. 1), S. 137-159; Voigt, Beginen (wie Anm. 1), S. 109-135; Hien,
Das Beginenwesen (wie Anm. 1), S. 47-67.
32 Einen Überblick bietet Frank-Michael Reichstein, Das Beginenwesen in Deutschland. Stu-
dien und Katalog (Wissenschaftliche Schriftenreihe Geschichte 9), Berlin 22017.
33 Wolfgang Huschner, Klöster, Stifte, Kommenden, Prioreien und Orden in Mecklenburg
(10./11.-16. Jahrhundert), in: Mecklenburgisches Klosterbuch, Bd. 1, hg. von Wolfgang
HuscHNER/Ernst MÜNCH/Cornelia Neustadt, Rostock 2016, S. 21-57, hier S. 30, weist auf
die zunehmende kooperationsrechtliche Ausrichtung der Dom- und Stiftskapitel im 12. und
13. Jahrhundert hin.
34 Siehe dazu einleitend Alfred Haverkamp, Leben in Gemeinschaften. Alte und neue Formen
im 12. Jahrhundert, in: Aufbruch - Wandel - Erneuerung. Beiträge zur „Renaissance" des
12. Jahrhunderts, hg. von Georg Wieland (Blaubeurer Symposion 9), Stuttgart 1992, S. 11-
44, und Manfred Groten, Die Geschichte der Stadt im Mittelalter, Stuttgart 2013.
35 Exemplarisch seien hier Mathias Kälble, Sozialfürsorge und kommunale Bewegung. Zur
Bedeutung von Hospitälern für die politische Gruppenbildung in der Stadt, in: Sozialge-
schichte mittelalterlicher Hospitäler, hg. von Neithard BuLST/Karl-Heinz Spiess (Vorträge
und Forschungen 65), Ostfildern 2007, S. 237-271 und Benjamin Laqua, Bruderschaften und
Hospitäler während des hohen Mittelalters. Kölner Befunde in westeuropäisch-vergleichen-
der Perspektive (Monographien zur Geschichte des Mittelalters 58), Stuttgart 2011, genannt.