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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0271
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270 I Jörg Voigt

möglichkeiten boten, was die Herausbildung städtischer Führungsschichten
wesentlich beeinflusste.
Diese Verdichtung von Gemeinschaftsstrukturen innerhalb der Städte vor
allem seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert begünstigte offenbar auch die Her-
ausbildung gemeinschaftlicher Lebensformen religiöser Frauen. Im Gegensatz
zum oben genannten Gelübde der Beginen, dem weiter zurückreichende Tradi-
tionen der vita religiosa von Frauen zugrunde lagen, sind diese gemeinschaftli-
chen Lebensformen die eigentliche Innovation, die für die weitere Entwicklung
des Beginenwesens im Spätmittelalter kaum zu überschätzen ist - die Bildung
von rechtsfähigen und weitgehend selbstverwalteten Gemeinschaften religiöser
Frauen, deren Mitgliedschaft auf einem einfachen und zeitlich nicht gebundenen
Gelübde beruhte.
Bei einem Vergleich dieser Ergebnisse mit den rechtlichen Grundlagen der
sich zeitgleich herausbildenden weiblichen Ordenszweige der Bettelorden und
des reinen Frauenordens der Magdalenerinnen wird die innovative vita religiosa
der Beginen zusätzlich konturiert. Mit dem feierlichen Privileg Religiosam
vitam eligentibus vom 10. Juni 1227 erhielt der Magdalenerinnenorden durch
Papst Gregor IX. seine rechtlichen Grundlagen. Er basierte zunächst auf der
Regula Benedicti und den Konstitutionen des Zisterzienserordens;36 einige Jahre
später wurde der Orden 1232 Oktober 23 unter die Augustinusregel mit den
Konstitutionen des dominikanischen Frauenklosters St. Sisto in Rom gestellt.37
Mit der Befolgung dieser Regel befand sich der Magdalenerinnenorden auf jenen
Vorgaben, die das 4. Laterankonzil von 1215 für religiöse Gemeinschaften vor-
gesehen hat.38

36 Edition von Religiosam vitam eligentibus bei Andre Simon, L'Ordre des Penitentes de Ste
Marie-Madeleine en Allemagne au XIIIme siecle, Fribourg 1918, S. 183-185.

37 Siehe dazu u. a. Guido Cariboni, Gregorio IX e la nascita delle „sorores penitentes" di Santa
Maria Maddalena „in Alemannia", in: Annali dell'Istituto storico italo-germanico in Trento
25 (1999), S. 11-44; Guido Cariboni, Zur Datierung der Interpolationen in den Institutiones
Sancti Sixti de Urbe. Die normative und institutionelle Entwicklung der sorores penitentes
der heiligen Maria Magdalena in Alamannia im 13. Jahrhundert, in: Regula Sancti Augustini.
Normative Grundlagen differenter Verbände im Mittelalter, hg. von Gert MELVILLE/Anne
Müller (Publikationen der Akademie der Augustiner-Chorherren von Windesheim 3), Pa-
ring 2002, S. 389-418.

38 Dies trifft auch auf die Nonnenklöster des Dominikanerinnenordens zu, die der Augusti-
nusregel und den dominikanischen Konstitutionen folgten, die ein klausuriert-kontemplati-
ves Leben vorschrieben, vgl. Isnard W. Frank, Die Dominikanerinnen als Zweiter Orden
der Dominikaner, in: Fromme Frauen - unbequeme Frauen? Weibliches Religiosentum im
Mittelalter, hg. von Edeltraud Klueting (Hildesheimer Forschungen 3), Hildesheim/Zü-
rich/New York 2006, S. 105-125.
 
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