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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0272
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Traditionen und Innovationen bei der Herausbildung des Beginenwesens 1 271

Im Gegensatz dazu hat sich um die Frage nach den frühen rechtlichen Grund-
lagen der Schwesterngemeinschaften des Franziskanertums bis in die 1260er
Jahre eine zum Teil heftige Kontroverse entwickelt. Deren Etappen, die hier
nicht einzeln vorgestellt werden können, durch die Ordenspolitik des Kardinals
Hugolino von Ostia und Velletri - den späteren Papst Gregor IX. - maßgeblich
gestaltet wurden. Ab dem Jahr 1219 strebte er eine päpstliche Inschutznahme
franziskanischer Frauengemeinschaften an, zunächst in bedeutenden Städten
Umbriens und der Toskana, dann auch weit darüber hinaus. In diesem Zuge
wurde auch eine klausurierte Lebensweise eingefordert, was beispielsweise in
der Regel von Papst Innozenz IV. vom 6. August 1247 den Nonnen des soge-
nannten Damiansordens auferlegt wurde. Den Abschluss dieser Auseinander-
setzungen bildete erst die Einführung der Regel Beata Clara im Jahr 1263 mit
einem Schwerpunkt auf dem monastisch-klausurierten Leben, das von den ein-
zelnen Gemeinschaften eingefordert wurde.39
Die hier vorgestellten Quellen sind eine erste Annäherung an das Beginen-
wesen in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Das Beginenwesen war durch
das Keuschheitsgelübde und das Anlegen eines Gewandes mit älteren Fröm-
migkeitsformen von Frauen eng verbunden. Seine spezifischen Innovationen,
und zwar die Bildung rechtsfähiger Frauengemeinschaften, die auf einem
zeitlich ungebundenen Gelübde basierten, waren mit den Entwicklungen des
spätmittelalterlichen Städtewesens verknüpft, wo sich das Beginenwesen zur
eigentlichen Form der vita religiosa von Frauen entwickelte. Dieser Prozess
war durch einflussreiche Kleriker wie Jakob von Vitry in der ersten Hälfte des
13. Jahrhunderts eng an die päpstliche Kurie gebunden. Zwar haben seine zum
damaligen Zeitpunkt sehr weitblickenden und auch erfolgreichen Bemühun-
gen um eine päpstliche Anerkennung keinen weiteren belegbaren Niederschlag
in den Quellen gefunden, doch steht auch die päpstliche Bestätigung des Begi-
nenwesens, wie sie in der Bulle Gloriam virginalem vorliegt, erkennbar in
seiner Tradition.

39 Dazu ausführlich Niklaus Kuster, San Damiano und der päpstliche Damiansorden. Die
spannungsvolle Gründungsgeschichte der Klarissen im Licht der neuesten Forschungen, in:
Lebendiger Spiegel des Lichtes: Klara von Assisi, hg. von Paul Zahner (Grazer franziskani-
sche Beiträge 2), Norderstedt 2013, S. 19-119; siehe dazu auch Angelica Hilsebein, Arme
Klarissen oder adelige Hausklöster? Klarissenklöster im nordalpinen Teil des Römischen
Reiches, in: Wissenschaft und Weisheit 81 (2018), S. 5-99.
 
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