Metadaten

Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0346
Lizenz: In Copyright

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Geistliche Gemeinschaften im Mittelalter zwischen Hof, Stadt und Kloster 1 345

Auf die Bedeutung von Kirchenreform und geistlichen Bewegungen für das
Tagungsthema komme ich gleich zu sprechen. Otto von Freising jedenfalls war
von beidem in mehrfacher Weise betroffen. Als einer der Söhne des Markgrafen
Leopold III. und dessen Frau Agnes war er mit einigen der wichtigsten Angehö-
rigen der damaligen Reichselite verwandt: Seine Mutter war die Schwester des
Saliers Heinrich V. - jenes Kaisers, der die Sache der Reform gegen seinen Vater
Heinrich IV. mithilfe der papsttreuen Fürsten durchgesetzt hatte. Einer von ih-
nen war der Babenberger Leopold III., Ottos Vater. Über dessen Seitenwechsel
von Kaiser Heinrich IV. zu seinem Sohn Heinrich V. hat Otto später in seiner
Chronik geschrieben: Im Jahr 1105, erzählt er, standen der vom Papst gebannte
Kaiser Heinrich IV. und sein 1099 zum Nachfolger bestimmter gleichnamiger
Sohn in feindlichen Lagern. Das Reich, so Otto, „war jammervoll gespalten.
Aus allen seinen Teilen zog man Streitkräfte zusammen, mit Feuer und Schwert
wurde das Land grausam verwüstet, und nun standen sich die beiden, Vater und
Sohn, am Ufer des [Flusses] Regen ... gegenüber." Der Babenberger Leopold III.
und sein Schwager Bofivoj von Böhmen standen zunächst gemeinsam auf Seiten
Heinrichs IV. Kurz vor dem Kampf aber begannen sie Friedensgespräche zu
führen. Ein weiterer militärischer Konflikt wurde verhindert, weil beide ins
Lager Heinrichs V. wechselten."
Das Thema geistlich motivierter Konflikte im Zeichen der Reform und ihrer
Konsequenzen für plötzlich ambivalente weltliche Loyalitäten hat Otto auch
später begleitet.12 Durch die erste Ehe seiner Mutter Agnes mit dem Schwaben-
herzog Friedrich waren die Babenberger auch mit den Staufern verwandt. Ottos
zweites monumentales Werk ist die Biographie seines Cousins, Friedrichs I.
Barbarossa. Die jahrzehntelangen Auseinandersetzungen zwischen Welfen und

11 Ottonis episcopi Frisingensis, Chronica (wie Anm. 9), VII 9: Igitur regno miserabiliter in se
ipso diviso, ex omnibus eins viribus coadunato milite, ferro flammaque crudeliter vastata
terra in ripa Regini fluminis uterque, scilicet pater et filius, consedit; dazu Brunner, Leopold
(wie Anm. 6), S. 108-117: Nur Otto erwähnt übrigens auch ein Versprechen des jungen Kö-
nigs, dem Markgrafen seine kurz zuvor verwitwete Schwester Agnes zur Frau zu geben; von
anderen Quellen wie der Regensburger Kaiserchronik wird Leopold III. bei den Ereignissen
von 1105 nicht einmal wahrgenommen.

12 Zur „Innovation" der Infragestellung traditioneller politischer Loyalitäten im Lichte der Re-
formforderungen allgemein und mit Beispielen aus dem Konflikt zwischen den Salierherr-
schern vgl. Stefan Weinfurter, Die Macht der Reformidee. Ihre Wirkkraft in Ritualen,
Politik und Moral der spätsalischen Zeit, in: Religiöse Ordnungsvorstellungen und Fröm-
migkeitspraxis im Hoch- und Spätmittelalter, hg. von Jörg Rogge, Korb 2008, S. 13-39; sie-
he außerdem Stefan Weinfurter, Innovation in Klöstern und Orden des hohen Mittelalters.
Zusammenfassung, in: Innovation in Klöstern und Orden des Hohen Mittelalters. Aspekte
und Pragmatik eines Begriffs, hg. von Mirko BREITENSTEIN/Stefan BuRKHARDT/Julia
Dücker (Vita regularis. Abhandlungen 48), Berlin 2013, S. 297-306.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften