380 I Vanina Kopp
bezeichnet.21 Laut Iogna-Prat findet sich diese Sakralisation als eine Ausprä-
gung am Königshof in der Form des Konzepts des Sakralkönigtums wieder,
insbesondere vertreten in den Schriften von Nicole Oresme und Christine de
Pizan und ihrer Betonung der Konstruktion einer Gemeinschaft, der der Fürst
vorsteht.22 Diesem Sakralkönigtum wurde in der Tat seit den Valois eine neue
Bedeutung beigemessen, insbesondere im Konkurrenzkampf um den Thron ge-
genüber den Ansprüchen aus England und Navarra.23 In Nachahmung des Kai-
sertums sowie im Rahmen des Schismas und der „gallikanischen Abtrennung"
war dies politisch nicht unerheblich. Diese theologische Aufladung beispiels-
weise der Aristoteles-Übersetzungen von Nicole Oresme für den französischen
König sei so zu erklären und als eine der Funktionen der universitären Ratgeber
des Königs nicht wegzudenken. In seinem Kapitel zu Nicole Oresme verfolgt er
dabei eine theologische Lesart der Übersetzungen im Dienste des Sakralkönig-
tums der Valois.24 Diese zutiefst religiöse Sicht wurde von den universitären Be-
ratern an die Könige herangetragen und prägte zahlreiche Schriften, die nach
dem Dynastiewechsel von Kapetingern auf die Valois deren Legitimation wie
auch Einschreibung in die königliche Legitimität vorantrieben.
Diese theologische Perspektive deckt sich mit meiner These, wonach die
Menge an Übersetzungen oder verfasster Ratgeber nicht als literarische Finger-
spiele eines elitären frankophilen Klubs des Königs, sondern in ihrem weiten
funktionalen Kontext gesehen werden müssen. Der Kanzler beispielsweise ver-
fasste seine Königschronik in der Sprache derer, die sie lesen sollten, um die
Loyalität zum König zu unterstützen: auf Französisch.25 Evrard de Tremaugon
verfasste die große königliche Propagandaschrift, das Somnium Viridarii, zuerst
auf Latein,26 seiner Arbeitssprache, und erst in einem zweiten Schritt königli-
21 Iogna-Prat, Cite de Dieu (wie Anm. 19), S. 76-79.
22 Iogna-Prat, Cite de Dieu (wie Anm. 19), S. 199-220.
23 Vgl. Kopp, Der König und die Bücher (wie Anm. 10); vgl. Anne Hedeman, The royal image.
Illustrations of the Grandes Chroniques de France, 1274-1422, Berkeley 1991; Gabrielle
Spiegel, The chronicle tradition of Saint-Denis. A survey, Brookline 1978; Isabelle Guyot-
BACHY/Jean-Marie Moeglin, Comment ont ete constitutes les Grandes Chroniques de
France dans la premiere moitie du XlVe siecle, in: Bibliotheque de 1'Ecole des chartes 163
(2006), S. 385-433; Antoine Brix, Une reecriture meconnue des „Grandes Chroniques de
Fance": signalement, tradition manuscrite, sources, in: Bibliotheque de 1'Ecole des Chartes
171 (2013), S. 383-406.
24 Iogna-Prat, Cite de Dieu (wie Anm. 19), S. 204-208.
25 Pierre d'Orgemont, Les grandes Chroniques de France. Chronique des regnes de Jean II et de
Charles V, ed. Robert Delachenal, 4 Bände, Paris 1910-1920; Pierre d'Orgemont, Chro-
niques de Charles V 1364-1380, traduite de l'ancien frangais par Nathalie Desgrugiller,
Clermont-Ferrand 2003.
26 Somnium Viridarii. Songe du verger, attribue a Evrard de Tremaugon, hg. von Marion
Schnerb-Lievre, 3 Bände, Paris 1993.
bezeichnet.21 Laut Iogna-Prat findet sich diese Sakralisation als eine Ausprä-
gung am Königshof in der Form des Konzepts des Sakralkönigtums wieder,
insbesondere vertreten in den Schriften von Nicole Oresme und Christine de
Pizan und ihrer Betonung der Konstruktion einer Gemeinschaft, der der Fürst
vorsteht.22 Diesem Sakralkönigtum wurde in der Tat seit den Valois eine neue
Bedeutung beigemessen, insbesondere im Konkurrenzkampf um den Thron ge-
genüber den Ansprüchen aus England und Navarra.23 In Nachahmung des Kai-
sertums sowie im Rahmen des Schismas und der „gallikanischen Abtrennung"
war dies politisch nicht unerheblich. Diese theologische Aufladung beispiels-
weise der Aristoteles-Übersetzungen von Nicole Oresme für den französischen
König sei so zu erklären und als eine der Funktionen der universitären Ratgeber
des Königs nicht wegzudenken. In seinem Kapitel zu Nicole Oresme verfolgt er
dabei eine theologische Lesart der Übersetzungen im Dienste des Sakralkönig-
tums der Valois.24 Diese zutiefst religiöse Sicht wurde von den universitären Be-
ratern an die Könige herangetragen und prägte zahlreiche Schriften, die nach
dem Dynastiewechsel von Kapetingern auf die Valois deren Legitimation wie
auch Einschreibung in die königliche Legitimität vorantrieben.
Diese theologische Perspektive deckt sich mit meiner These, wonach die
Menge an Übersetzungen oder verfasster Ratgeber nicht als literarische Finger-
spiele eines elitären frankophilen Klubs des Königs, sondern in ihrem weiten
funktionalen Kontext gesehen werden müssen. Der Kanzler beispielsweise ver-
fasste seine Königschronik in der Sprache derer, die sie lesen sollten, um die
Loyalität zum König zu unterstützen: auf Französisch.25 Evrard de Tremaugon
verfasste die große königliche Propagandaschrift, das Somnium Viridarii, zuerst
auf Latein,26 seiner Arbeitssprache, und erst in einem zweiten Schritt königli-
21 Iogna-Prat, Cite de Dieu (wie Anm. 19), S. 76-79.
22 Iogna-Prat, Cite de Dieu (wie Anm. 19), S. 199-220.
23 Vgl. Kopp, Der König und die Bücher (wie Anm. 10); vgl. Anne Hedeman, The royal image.
Illustrations of the Grandes Chroniques de France, 1274-1422, Berkeley 1991; Gabrielle
Spiegel, The chronicle tradition of Saint-Denis. A survey, Brookline 1978; Isabelle Guyot-
BACHY/Jean-Marie Moeglin, Comment ont ete constitutes les Grandes Chroniques de
France dans la premiere moitie du XlVe siecle, in: Bibliotheque de 1'Ecole des chartes 163
(2006), S. 385-433; Antoine Brix, Une reecriture meconnue des „Grandes Chroniques de
Fance": signalement, tradition manuscrite, sources, in: Bibliotheque de 1'Ecole des Chartes
171 (2013), S. 383-406.
24 Iogna-Prat, Cite de Dieu (wie Anm. 19), S. 204-208.
25 Pierre d'Orgemont, Les grandes Chroniques de France. Chronique des regnes de Jean II et de
Charles V, ed. Robert Delachenal, 4 Bände, Paris 1910-1920; Pierre d'Orgemont, Chro-
niques de Charles V 1364-1380, traduite de l'ancien frangais par Nathalie Desgrugiller,
Clermont-Ferrand 2003.
26 Somnium Viridarii. Songe du verger, attribue a Evrard de Tremaugon, hg. von Marion
Schnerb-Lievre, 3 Bände, Paris 1993.