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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0383
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382 I Vanina Kopp

Diese Tendenz verstärkte sich unter den persönlichen Regierungen Karls V.
und Karls VI., die, neben den obligatorischen Hochadeligen und höchsten Wür-
denträgern, ihre engsten Berater auf Vertraute beschränkten, die sowohl aus bür-
gerlichen Juristen, militärerfahrenen Adeligen sowie aus ranghohen Klerikern
bestehen konnten, deren Position im Rat aber auf Erfahrung, Vertrauen, Loyali-
tät und Leistung basierte. Dieser Kreis ist in die Historiographie als die „Mar-
mousets"31 eingegangen, als ein Versuch, eine Regierungsmannschaft zu etablie-
ren, die dem König zutiefst verbunden war und jenseits von persönlicher
Vorteilsnahme sowohl die juristischen und finanziellen Anliegen wie auch die
königliche Verwaltung organisierte32 als die innenpolitische und außenpoliti-
schen Krisen zu meistern wusste. Eine Regierungsform, die sich die alten Mach-
teliten jedoch nicht gefallen lassen wollten: Nach dem Tode Karls V. und später
mit der schwindenden Macht des geisteskranken Karl VI. wurde diese geeinte
Mannschaft von den Onkeln und Herzögen des Königs wieder ausgehebelt.33
Im Gegenzug nutzten viele Mitglieder des königlichen Hofes die städtischen
Klostergemeinschaften für ihre bürgerschaftlichen oder gildenrelevanten devo-
tionalen Praktiken: So waren die Bruderschaft der königlichen Notare bei den
Cölestinern zu Gast,34 die zu einem Symbol der Königsnähe avancierten.35 Erst
1352 vom Thronfolger Karl V. nach Paris geholt, wurden die Cölestiner konstant
vom Königshaus und von der königlichen Verwaltung finanziell unterstützt. So

31 Der Begriff stammt wohl zeitgenössisch vom gut informierten Chronisten Jean Froissart
und war eigentlich pejorativ gemeint. Zu den Marmousets, ihrer personellen Zusammenset-
zung und konkreten politischen Zusammenarbeit siehe Frangoise Autrand, Charles V le
Sage, Paris 1994, S. 688-712; diess., Charles VI (wie Anm. 1), S. 189-203; Cazelles, Societe
politique (wie Anm. 30); John Bell Henneman, Olivier de Clisson and Political Society in
France Under Charles V and Charles VI, Philadelphia 1996, S. 131-140; Frangoise Autrand,
Un certain sens de I'Etat. Les conseillers de Charles V, in: Vincennes aux origines de 1'Etat
moderne, hg. von Jean CHAPELOT/Elisabeth Lalou, Paris 1996, S. 343-353.

32 Siehe hierzu Cazelles, Societe politique (wie Anm. 30); Yann Potin, L'etat et son tresor, in:
Actes de la recherche en sciences sociales 133 (2000), S. 48-52; Vanina Kopp, Königliche Ar-
chive und Herrschaftsinformation am Beispiel des spätmittelalterlichen Frankreichs; in: Ar-
chiv, Macht, Wissen. Organisation und Konstruktion von Wissen und Wirklichkeiten in
Archiven, hg. von Anja HoRSTMANN/Vanina Kopp, Frankfurt am Main 2010, S. 55-72.

33 Zu den Handlungsspielräumen der jeweiligen Könige und den Konjunkturen dieser Art von
Regierung, vgl. Cazelles, Societe politique (wie Anm. 30), S. 542-554; Hennemann, Oli-
vier de Clisson (wie Anm. 31), S. 141-154 sowie die genannten Biographien von Karl V. und
Karl VI. von Autrand (wie Anm. 1 und 31). Nichtsdestotrotz gilt diese Periode in den nati-
onalen Historiographien Englands und Frankreichs als eine Scharnierperiode für die Ent-
wicklung der vormodernen Staatlichkeit, siehe Übersicht bei Mairey, Guerre de Cent ans
(wie Anm. 1), S. 137-150.

34 Cazelles, Societe politique (wie Anm. 30), S. 524.

35 Shaw, Celestine Monks of France (wie Anm. 2), S. 211-230.
 
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