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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0392
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Königseinflüsterer oder Regierungsberater? I 391

und Papsthöfe auf der Suche nach einem Heilmittel gegen das Schisma und die
Krankheit des Königs führt: Salmon bereist England, Paris, Rom, Avignon und
die Aufenthaltsorte der Gegenpäpste; er besucht auch die Höfe der französi-
schen Herzöge Ludwig von Orleans, Ludwig von Anjou, Johann von Berry und
Philipp von Burgund sowie einige weitere bekannte zeitgenössische Persönlich-
keiten. Relativ unverhohlen macht Salmon deutlich, dass der Bruder des Königs,
Ludwig von Orleans, der politische Widersacher des Herzogs von Burgund, an
der Krankheit des Königs Schuld sei. Aber es gebe eine Hoffnung: der neue
Papst Alexander V. habe einen Arzt, der den König heilen könne; in einer fast
eschatologischen Perspektive wird mit der Genesung Karls VI. auch das Ende
des Schismas in Aussicht gestellt.69 Ähnlich wie Jean Petit in seiner „Apologie"
stellt auch dieser Autor eine Verbindung zwischen politischem und religiösem
Zwist, zwischen persönlicher und nationaler Heilung als Perspektive für seine
Ratschläge her.
Doch die ausbrechende Geisteskrankheit konterkarierte die Pläne Pierre Sal-
mons, dem König das Buch zu widmen. Also versuchte er sich an einer zweiten
Version, diesmal erneut offiziell an den König, aber auch an einen erweiterten
Kreis gerichtet, darunter den Thronfolger Ludwig von Guyenne. Doch wie bei
der ersten Version überstürzten sich die Ereignisse und auch Salmons zweite
Version fand nie ihr Publikum: diesmal verstarben bei der Fertigstellung 1415
sowohl der Thronfolger Ludwig von Guyenne als auch Papst Alexander V.; zu-
dem machte der inzwischen offene Bürgerkrieg zwischen Orleans und Burgund
jeglichen friedlichen Kompromiss unmöglich. Nicht nur ein literarisches Werk
war damit obsolet, auch der Autor versank in historische Vergessenheit.70
Andere Autoren zeigten sich hartnäckiger. Um ganz sicher gehört zu werden,
ergriff Philippe de Mezieres, der Kreuzritter und Mystiker der Cölestiner aus
dem Eingangsbeispiel, im Jahre 1395 erneut die Feder, um seine Bitten und sei-
nen Rat zu verfassen. Diesmal gerichtet an den englischen König: In dem Epistre
au roi Richart (Brief an König Richard II.)71 schlägt er einen Friedensplan vor,
der es erlauben sollte, den seit Jahrzehnten schwelenden Krieg zwischen den
Königen von England und Frankreich zu beenden. Dies würde Kapazitäten

69 Geneve, Bibliotheque de Geneve, ms. 165; vgl. Hedeman, Constructing Memories (wie
Anm. 67).

70 Vgl. Hedeman, Counselors and Kings (wie Anm. 67), S. 48; Kopp, Der König und die Bü-
cher (wie Anm. 10), S. 301f.

71 Erhalten in London, British Library, Royal 20 B VI; Edition bei Philippe de Mezieres, Letter
to King Richard II. A plea made in 1395 for peace between England and France. Original text
and english version of Epistre an Roi Richart introduced and translated by George. W. Coo-
pland, Liverpool, 1975.
 
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