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Kreative Impulse. Innovations- und Transferleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa <Veranstaltung, 2019, Heidelberg>; Burkhardt, Julia [Editor]
Kreative Impulse und Innovationsleistungen religiöser Gemeinschaften im mittelalterlichen Europa — Klöster als Innovationslabore, Band 9: Regensburg: Schnell + Steiner, 2021

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https://doi.org/10.11588/diglit.72131#0403
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402 I Vaclav Zurek

manu Dei tui (Is 62, 3). Das Leitmotiv dieser Lobrede ist die Abstammung des
neuen Königs. Nikolaus erklärt darüber hinaus, wie Karl zu seinen beiden Ti-
teln kam. Karl wird in dieser Rede als melange zweier Familien und als Nach-
komme zweier großer Vorfahren präsentiert. In der Linie seines Vaters, Johanns
des Blinden, kam Karl aus der Familie Karls des Großen, der im späten Mittel-
alter als vorbildlicher imperator und legendäre Persönlichkeit wahrgenommen
wurde. Demgegenüber stammte Karls Mutter aus der einheimischen böhmi-
schen Königsfamilie der Pfemysliden, die Böhmen seit jeher regiert hatte und
von der die berühmte Persönlichkeit des hl. Wenzel stammte. Die beiden vor-
bildlichen Vorfahren, auf die Karls Abstammung immer wieder zurückgeführt
wird, sind darüber hinaus Heilige. Kaiser Karl IV. trug als Taufnamen Wenzel
und damit den traditionellen Namen der Pfemysliden, der zugleich der Name
des Schutzpatrons Böhmens war. Erst im Alter von sieben Jahren kam er an den
Pariser Hof zu seiner Tante Maria von Luxemburg (die Ehefrau König Karls IV.
des Schönen), wo er nach seinem Firmpaten, dem König von Frankreich,
Karl IV., den Firmnamen Karl erhielt. Nikolaus sagte in seiner Rede, dass die
Namen, wenngleich aus dem Blickwinkel der Menschen aus verschiedenen
Gründen gegeben, Karl letztlich beide im Einklang mit der Vorsehung Gottes
verliehen worden seien. Dann setzt er Karls zwei Namen, Taufname und Firm-
name, in Zusammenhang mit dessen ruhmvollen Ahnen, Vorbildern und na-
mengebenden Heiligen - mit dem Heiligen Wenzel und Karl dem Großen. Es
war gewiss kein Zufall, dass Magister Nikolaus in seiner Predigt das Haupt-
thema der späteren Legitimationsstrategie Karls IV. vorweggenommen hat. Die
Rede stimmt mit Karls anschließender Politik überein und formuliert eigentlich
bereits den wesentlichsten Teil und die Grundidee von Karls Legitimationspro-
gramm vor - die ruhmvolle Abstammung wurde bei Karls Krönung als Zeichen
für dessen große Zukunft benutzt, die sich durch diese symbolische Namensko-
inzidenz als Zeugnis der göttlichen Vorsehung offenbarte.14
Diese Formulierung der Legitimationsstrategie war nicht grundsätzlich in-
novativ, Karl konnte sie zumindest aus Frankreich oder aus der Literatur vom
staufischen Hof kennen, aber im Kontext der böhmischen Luxemburger-Regie-
rung stellte diese Erklärung eine Innovation dar, die später nochmals von dem
Minoriten Giovanni Marignolli im Kontext der Universalgeschichte in seiner
Chronik eingesetzt wurde.15

14 Jaroslav Kadlec, Die homiletischen Werke des Prager Magisters Nikolaus von Louny, in:
Augustiniana 23 (1973), S. 243-251 und S. 262-270.

15 Dazu Vaclav 2ürek, Godfrey of Viterbo and his Readers at the Court of Emperor Charles
IV, in: Godfrey of Viterbo and his Readers. Imperial Tradition and Universal History in Late
Medieval Europe, hg. von Thomas Foerster, Farnham 2015, S. 87-102.
 
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