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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0041
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Überblickskommentar, Kapitel 1.1: Motivation und Entstehung 15

Pessimismus und Ethik der Resignation. Allerdings unterscheiden sich die
Konzepte von N. und Overbeck - ihrer jeweiligen Profession entsprechend -
in bestimmten Urteilsprämissen: Während N. im fünften seiner Vorträge Ueber
die Zukunft unserer Bildungsanstalten im „griechischen und römischen Alter-
thum“ den „leibhaften kategorischen Imperativ aller Kultur“ erblickt (KSA 1,
741, 23-24), übernimmt für Overbeck der „Christenname“ diese Funktion als
„eine Art kategorischer Imperativ“ (zitiert nach Pestalozzi 1988, 105).
Im Vorfeld der Drucklegung von Overbecks Schrift Ueber die Christlichkeit
unserer heutigen Theologie intervenierte N. mit einem Brief an Wagner zuguns-
ten seines theologischen Freundes. Denn dessen bisheriger Verleger Hirzel in
Leipzig hatte auch Strauß unter Vertrag genommen und im Jahre 1872 sein
Buch Der alte und der neue Glaube. Ein Bekenntniß veröffentlicht. Daher lehnte
Hirzel die Publikation von Overbecks Abhandlung Ueber die Christlichkeit unse-
rer heutigen Theologie. Streit- und Friedensschrift ab, und zwar wegen der darin
enthaltenen Polemik gegen Strauß. Infolgedessen hatte Overbeck im April 1873
keinen Verleger für sein neues Buch. In dieser Situation empfahl N. ihm, sich
an Richard Wagners Verleger Ernst Wilhelm Fritzsch zu wenden, der schon
N.s Geburt der Tragödie veröffentlicht hatte. Da Fritzschs Verlag eigentlich auf
Musikalien spezialisiert war, vermutete N., dass der Verleger möglicherweise
bei Richard Wagner Erkundigungen über Overbeck und seine Schrift Ueber die
Christlichkeit unserer heutigen Theologie einziehen würde. Aus diesem Grund
wendete sich N. am 26. April 1873 mit der Bitte an Wagner, seinen Freund
Overbeck dem Verleger Fritzsch gegenüber positiv zu erwähnen und ihm die
Publikation von Overbecks Schrift zu empfehlen (KSB 4, Nr. 305, S. 146-147).
Vermutlich am 11. Mai 1873 teilt N. in einem Brief an seine Mutter und Schwes-
ter mit: „Prof Overbeck’s neueste Schrift erscheint auch bei Fritzsch“ (KSB 4,
Nr. 308, S. 152). Für die erfolgreiche Fürsprache Wagners bei Fritzsch bedankt
sich N. in seinem Brief zu Wagners 60. Geburtstag: „Daß Overbeck jetzt mit der
Fritzschischen Signatur auftritt, ist himmlisch, und ich danke Ihnen von Her-
zen, dies möglich gemacht zu haben“ (KSB 4, Nr. 309, S. 154).
N., der mit Overbeck und Wagner die massiven Vorbehalte gegen Strauß
teilte, setzte sich zugleich auch aus persönlichen Gründen mit Strauß ausei-
nander. Bereits während seiner Bonner Studienzeit hatte er sich allmählich von
der Theologie distanziert und am 2. Februar 1865 dann die endgültige Entschei-
dung getroffen, die zunächst gewählte Kombination der Studienfächer Theolo-
gie und klassische Philologie durch die ausschließliche Konzentration auf die
letztere zu ersetzen (vgl. KSB 2, Nr. 460, S. 40). Und schon in den Semesterferi-
en 1865 hatte N. David Friedrich Strauß’ Werk Das Leben Jesu für das deutsche
Volk bearbeitet (Leipzig 1864), die modifizierte Textversion seines fast drei
Jahrzehnte zuvor erschienenen Buches Das Leben Jesu, kritisch bearbeitet
 
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