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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0119
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Stellenkommentar UB I DS 2, KSA 1, S. 165-166 93

ter‘ mit ausdrücklicher Bezugnahme auf UB I DS. So erklärt er seine eigene Mo-
tivation für die Polemik gegen David Friedrich Strauß 1886 in der Vorrede zu
Menschliches, Allzumenschliches II retrospektiv folgendermaßen: „Jener zorni-
ge Ausbruch gegen die Deutschthümelei, Behäbigkeit und Sprach-Verlumpung
des alt gewordenen David Strauss, der Inhalt der Ersten Unzeitgemässen,
machte Stimmungen Luft, mit denen ich lange vorher, als Student, inmitten
deutscher Bildung und Bildungsphilisterei gesessen hatte (ich mache An-
spruch auf die Vaterschaft des jetzt viel gebrauchten und missbrauchten Wor-
tes ,Bildungsphilister4- )“ (KSA 2, 369, 21 - 370, 4). Eine analoge und insofern
ebenfalls unzutreffende Behauptung findet sich sogar noch in seiner Spät-
schrift Ecce homo (KSA 6, 317, 16-17).
166, 6 tutti unisono] Der italienische Ausdruck ,tutti unisono4 bedeutet: ,alle
mit einer Stimme4. Er findet sich auch in Arthur Schopenhauers nachgelasse-
nen sprachkritischen Materialien zu einer Abhandlung über den argen Unfug,
der in jetziger Zeit mit der deutschen Sprache getrieben wird. Dieser Text erschien
postum in der Edition Aus Arthur Schopenhauers handschriftlichem Nachlaß.
Abhandlungen, Anmerkungen, Aphorismen und Fragmente, 1864 (NPB 543), 53-
102. Hier konstatiert Schopenhauer polemisch: „Das Niederträchtigste bei der
Sache ist das Tutti unisono, mit welchem jeder neu erfundene Sprachschnitzer
sogleich angestimmt wird: denn es verräth die Abwesenheit jeder Prätension
auf Selbstständigkeit und eigenes Urtheil, wie auch daß unsere Schreiber die
ächten deutschen Schriftsteller, welche sämmtlich aus dem vorigen Jahrhun-
dert sind, und überhaupt irgend ältere Bücher, gar nicht lesen, sondern bloß
die in letzter Nacht ausgeheckten Monstra ihrer Jetztzeit-Schreiberei, gegensei-
tig unter einander44 (ebd., 61). An einer späteren Stelle von UB I DS rekurriert
N. erneut auf diese Schrift Schopenhauers und nennt den Namen des Autors
sogar explizit: Hier ist die Rede von „den ,in letzter Nacht ausgeheckten Mons-
tra der Jetztzeit-Schreiberei4, wie Schopenhauer sagt“ (223, 2-4). Vgl. dazu aus-
führlicher NK 223, 2-4 (mit Belegen zum Begriff Jetztzeit4, den N. vor allem in
seiner Basler Zeit gebraucht, also in der frühen Werkphase). Auf Schopenhau-
ers Materialien zu einer Abhandlung über den argen Unfug, der in jetziger Zeit
mit der deutschen Sprache getrieben wird nimmt N. in UB I DS wiederholt Bezug
(vgl. NK 221, 4-8; NK 223, 2-4; NK 227, 7-17; NK 235, 15).
Frauenstädt gibt auf der ersten Seite von Schopenhauers Materialien in
einer Fußnote die folgende Information: „Ein an einer anderen Stelle des Ma-
nuscripts beigeschriebener, variirender Titel lautet: ,Ueber die allgemeine und
allseitig mit Wetteifer betriebene methodische Verhunzung der deutschen
Sprache.4 / Der Herausgeber“ (ebd., 53). Diese Titel-Variante, die für die Schrift
eher Werkcharakter suggeriert, ergänzte Schopenhauer in seinen Aufzeichnun-
gen noch um den Titel Ueber die, seit einigen Jahren, methodisch betriebene
 
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