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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1,2): Kommentar zu Nietzsches "Unzeitgemässen Betrachtungen": I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: de Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0387
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Überblickskommentar, Kapitel 11.8: Wirkungsgeschichte 361

Historie reflektiert Heidegger in § 76 von Sein und Zeit unter dem Titel: „Der
existenziale Ursprung der Historie aus der Geschichtlichkeit des Daseins“. Am
Ende des vorangehenden § 75 bekundet er die Absicht, einen „Entwurf der on-
tologischen Genesis der Historie als Wissenschaft aus der Geschichtlichkeit des
Daseins“ zu wagen und dadurch „der Aufgabe einer historischen Destruktion
der Geschichte der Philosophie“ zuzuarbeiten (ebd., 392). Laut Heidegger ist
„das Aufkommen eines Problems des ,Historismus4 das deutlichste Anzeichen
dafür, daß die Historie das Dasein seiner eigentlichen Geschichtlichkeit zu ent-
fremden trachtet. Diese bedarf nicht notwendig der Historie. Unhistorische
Zeitalter sind als solche nicht auch schon ungeschichtlich“ (ebd., 396).
Um in Sein und Zeit „die Idee der Historie aus der Geschichtlichkeit des
Daseins ontologisch [zu] entwerfen“ (ebd., 393), greift Heidegger ausdrücklich
auf N.s UB II HL zurück, insbesondere auf die Vorstellung der ,monumentali-
schen Historie4, die er in Sein und Zeit analog zu N. ebenfalls mit einer Zu-
kunftsorientierung verknüpft. An die Konzepte, die N. in der Historienschrift
entfaltet, schließt Heidegger in seinem Hauptwerk explizit an und verbindet
sie dabei zugleich mit der in der Philosophie damals populären Möglichkeits-
kategorie: „Als geschichtliches ist das Dasein nur möglich auf dem Grunde
der Zeitlichkeit. Diese zeitigt sich in der ekstatisch-horizontalen Einheit ihrer
Entrückungen. Das Dasein existiert als zukünftiges eigentlich im entschlosse-
nen Erschließen einer gewählten Möglichkeit. Entschlossen auf sich zurück-
kommend, ist es wiederholend offen für die ,monumentalen4 Möglichkeiten
menschlicher Existenz. Die solcher Geschichtlichkeit entspringende Historie ist
,monumentalisch444 (ebd., 396).
Nachdem Heidegger in Sein und Zeit die ,monumentalische Historie4 N.s
mit dem Zukunftshorizont vermittelt hat, korreliert er die ,antiquarische Histo-
rie4 mit der Perspektive auf die Vergangenheit: „Das Dasein ist als gewesendes
[sic] seiner Geworfenheit überantwortet. In der wiederholenden Aneignung des
Möglichen liegt zugleich vorgezeichnet die Möglichkeit der verehrenden Be-
wahrung der dagewesenen Existenz, an der die ergriffene Möglichkeit offenbar
geworden. Als monumentalische ist die eigentliche Historie deshalb , antiqua-
risch4“ (ebd., 396-397). Im Rückgriff auf N.s Terminologie würdigt Heidegger
die Differenzierung zwischen den drei Arten der Historie, die N. in UB II HL
entfaltet, überformt sie dabei allerdings durch seine eigenen Vorstellungen zur
Geschichtlichkeit des Daseins4: „Die Dreifachheit der Historie ist in der Ge-
schichtlichkeit des Daseins vorgezeichnet. Diese läßt zugleich verstehen, inwie-
fern eigentliche Historie die faktisch konkrete Einheit dieser drei Möglichkeiten
sein muß. Nietzsches Einteilung ist nicht zufällig. Der Anfang seiner Betrach-
tung4 läßt vermuten, daß er mehr verstand, als er kundgab“ (ebd., 396).
In seiner eigenen Auslegung von N.s Typologie des Historischen bezieht
Heidegger die ,monumentalische4, ,antiquarische4 und ,kritische4 Historie defi-
 
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