Stellenkommentar UB II HL 1, KSA 1, S. 255-256 425
gesamtes Schema umzuwerfen“ droht (Kaufmann 1982, 167-168). Dabei gehe
es wesentlich um den Zusammenhang von „Geschichtsphilosophie und Wert-
theorie“, mithin um die Frage, „ob es besondere überhistorische Werte gibt“
(ebd., 171). Insofern stehe hier das im Historismus zentrale „Problem der Relati-
vität der Werte“ im Blick (ebd., 172). Zur Problematik von N.s Konzeption des
Unhistorischen und Überhistorischen, das „die Ausschaltung historisch-analy-
tischer Reflexion“ voraussetzt, sich jedoch schwerlich entfalten kann, „wo die
Erkenntnis das Un- und Überhistorische doch immer schon als schützendes
Trugbild durchschaut hat“, vgl. Sommer 1997, 47. Die Problematik des Überhis-
torischen in UB II HL im Hinblick auf N.s „Anti-Sokratismus“ betont Hödl
2008, 61-62. Und Heidegger hält den Begriff des ,Unhistorischen4, den N. in
UB II HL sowohl auf den Menschen als auch auf das Tier bezieht, für „mehr-
deutig“ (Heidegger, Bd. 46, 2003, 95). Zu seiner Differenzierung zwischen drei
Bedeutungskomponenten und zu seinen Einwänden gegen N.s Konzept des
,Unhistorischen4 vgl. die Belege in NK 249, 5-6.
256, 18-26 so dass der Verwegenste zuletzt vielleicht bereit ist, mit Giacomo
Leopardi zu seinem Herzen zu sagen: „[...] Schmerz und Langeweile ist unser
Sein [...] - nichts Andres.“] N. entnahm die (von ihm in deutscher Übersetzung
zitierten) Verse aus dem Gedicht A se stesso von Giacomo Leopardi (1798-1837).
Hier heißt es: „Amaro e noia / la vita, altro mai nulla“. (Robert Hamerling
übersetzt Leopardis Gedicht Auf sich selbst im Rahmen seiner Edition Leopar-
di’s Gedichte, 1866. Diese Edition hatte N. in seiner persönlichen Bibliothek:
NPB 348). Die Anregung zur Leopardi-Lektüre dürfte N. durch Schopenhauer
erhalten haben, der die pessimistische Lebensauffassung Leopardis teilte. Die
Welt als Wille und Vorstellung II enthält in Kapitel 46 „Von der Nichtigkeit und
dem Leiden des Lebens“ zahlreiche Zeugnisse pessimistischer Weltanschau-
ung seit der Antike. So zitiert Schopenhauer beispielsweise Herodot, Plutarch,
Platon, Shakespeare, Voltaire, Swift und Baltasar Graciän, um seine Aufzäh-
lung dann mit einem emphatischen Hinweis auf Leopardi abzuschließen: „Kei-
ner jedoch hat diesen Gegenstand so gründlich und erschöpfend behandelt,
wie, in unsern Tagen, L e o p a r d i. Er ist von demselben ganz erfüllt und durch-
drungen: überall ist der Spott und Jammer dieser Existenz sein Thema, auf
jeder Seite seiner Werke stellt er ihn dar, jedoch in einer solchen Mannigfaltig-
keit von Formen und Wendungen, mit solchem Reichthum an Bildern, daß er
nie Ueberdruß erweckt, vielmehr durchweg unterhaltend und erregend wirkt“
(WWVII, Kap. 46, Hü 675).
Bereits im ersten Band der Welt als Wille und Vorstellung betrachtet Scho-
penhauer das Leben des Menschen als eine leidensvolle, zwischen Zuständen
von Not und Langeweile wechselnde Existenz. „Wollen und Streben“ vergleicht
er hier mit „einem unlöschbaren Durst“ (WWV I, § 57, Hü 367). „Die Basis alles
gesamtes Schema umzuwerfen“ droht (Kaufmann 1982, 167-168). Dabei gehe
es wesentlich um den Zusammenhang von „Geschichtsphilosophie und Wert-
theorie“, mithin um die Frage, „ob es besondere überhistorische Werte gibt“
(ebd., 171). Insofern stehe hier das im Historismus zentrale „Problem der Relati-
vität der Werte“ im Blick (ebd., 172). Zur Problematik von N.s Konzeption des
Unhistorischen und Überhistorischen, das „die Ausschaltung historisch-analy-
tischer Reflexion“ voraussetzt, sich jedoch schwerlich entfalten kann, „wo die
Erkenntnis das Un- und Überhistorische doch immer schon als schützendes
Trugbild durchschaut hat“, vgl. Sommer 1997, 47. Die Problematik des Überhis-
torischen in UB II HL im Hinblick auf N.s „Anti-Sokratismus“ betont Hödl
2008, 61-62. Und Heidegger hält den Begriff des ,Unhistorischen4, den N. in
UB II HL sowohl auf den Menschen als auch auf das Tier bezieht, für „mehr-
deutig“ (Heidegger, Bd. 46, 2003, 95). Zu seiner Differenzierung zwischen drei
Bedeutungskomponenten und zu seinen Einwänden gegen N.s Konzept des
,Unhistorischen4 vgl. die Belege in NK 249, 5-6.
256, 18-26 so dass der Verwegenste zuletzt vielleicht bereit ist, mit Giacomo
Leopardi zu seinem Herzen zu sagen: „[...] Schmerz und Langeweile ist unser
Sein [...] - nichts Andres.“] N. entnahm die (von ihm in deutscher Übersetzung
zitierten) Verse aus dem Gedicht A se stesso von Giacomo Leopardi (1798-1837).
Hier heißt es: „Amaro e noia / la vita, altro mai nulla“. (Robert Hamerling
übersetzt Leopardis Gedicht Auf sich selbst im Rahmen seiner Edition Leopar-
di’s Gedichte, 1866. Diese Edition hatte N. in seiner persönlichen Bibliothek:
NPB 348). Die Anregung zur Leopardi-Lektüre dürfte N. durch Schopenhauer
erhalten haben, der die pessimistische Lebensauffassung Leopardis teilte. Die
Welt als Wille und Vorstellung II enthält in Kapitel 46 „Von der Nichtigkeit und
dem Leiden des Lebens“ zahlreiche Zeugnisse pessimistischer Weltanschau-
ung seit der Antike. So zitiert Schopenhauer beispielsweise Herodot, Plutarch,
Platon, Shakespeare, Voltaire, Swift und Baltasar Graciän, um seine Aufzäh-
lung dann mit einem emphatischen Hinweis auf Leopardi abzuschließen: „Kei-
ner jedoch hat diesen Gegenstand so gründlich und erschöpfend behandelt,
wie, in unsern Tagen, L e o p a r d i. Er ist von demselben ganz erfüllt und durch-
drungen: überall ist der Spott und Jammer dieser Existenz sein Thema, auf
jeder Seite seiner Werke stellt er ihn dar, jedoch in einer solchen Mannigfaltig-
keit von Formen und Wendungen, mit solchem Reichthum an Bildern, daß er
nie Ueberdruß erweckt, vielmehr durchweg unterhaltend und erregend wirkt“
(WWVII, Kap. 46, Hü 675).
Bereits im ersten Band der Welt als Wille und Vorstellung betrachtet Scho-
penhauer das Leben des Menschen als eine leidensvolle, zwischen Zuständen
von Not und Langeweile wechselnde Existenz. „Wollen und Streben“ vergleicht
er hier mit „einem unlöschbaren Durst“ (WWV I, § 57, Hü 367). „Die Basis alles