Stellenkommentar UB II HL 9, KSA 1, S. 316-317 551
ten „praktischen Philosophie“ bedingt, die er entsprechend zeitgemäß realis-
tisch4 konzipiert und naturalistisch garniert. - Georg Brandes, der durch seine
Vorlesungen über N. bereits 1888 maßgeblich zur Rezeption seiner Werke bei-
trug, wendet sich in seinem N.-Buch - trotz seiner großen Wertschätzung für
N. - entschieden gegen dessen Tendenz, in Eduard von Hartmann „mit unkriti-
scher Ungerechtigkeit einen Scharlatan sehen“ zu wollen (Brandes 2004, 98).
Demgegenüber betont Brandes dessen „großes Talent“ sowie analoge Prägun-
gen und Frontstellungen der „beiden feindlichen Brüder“ (vgl. ebd., 98-99).
Zu Brandes’ N.-Rezeption vgl. den ausführlichen Abschnitt in Kapitel II.8 des
Überblickskommentars. Vgl. auch NK 313, 34 - 314, 3.
316, 16-17 „das Streben nach individueller Willensverneinung ist eben so thö-
richt und nutzlos, ja noch thörichter als der Selbstmord“] Zitat aus Hartmanns
Philosophie des Unbewußten (635-636). Unter diesem Aspekt setzt sich Hart-
mann ausführlich mit der buddhistischen4 Position Schopenhauers auseinan-
der.
316, 18-22 „Der denkende Leser wird auch ohne weitere Andeutungen verste-
hen, wie eine auf diesen Principien errichtete praktische Philosophie sich gestal-
ten würde, und dass eine solche nicht die Entzweiung, sondern nur die volle Ver-
söhnung mit dem Leben enthalten kann.“] Auch hier zitiert N. aus Hartmanns
Philosophie des Unbewußten (638).
316, 26-29 Ein wackerer Engländer vermisst an ihnen delicacy of perception, ja
wagt zu sagen „in the German mind there does seem to be something splay,
something blunt-edged, unhandy and infelicitous“] N. zitiert aus Matthew Ar-
nolds Buch Literature and Dogma. An Essay towards a better Apprehension of
the Bible, 1873, XXVI. - Übersetzung: „in der Seele der Deutschen scheint et-
was schief, stumpf, ungeschickt und unglückselig zu sein“.
317, 5-6 mit „der Eule verzerrtem Ernste“, wie Goethe sagt] N. zitiert Verse, die
Goethe während seiner Leipziger Studentenzeit schrieb, und zwar unter dem
Titel Der Misanthrop: „Erst sitzt er eine Weile / Die Stirn von Wolken frei; / Auf
einmal kömmt in Eile / Sein ganz Gesicht der Eule / Verzerrtem Ernste bei“
(Goethe: FA, Abt. I, Bd. 1, 91-92).
317,12-22 eine Zeit, in welcher man überhaupt nicht mehr die Massen betrach-
tet, sondern wieder die Einzelnen, die eine Art von Brücke über den wüsten Strom
des Werdens bilden. Diese setzen nicht etwa einen Prozess fort, sondern leben
zeitlos-gleichzeitig, Dank der Geschichte, die ein solches Zusammenwirken zu-
lässt, sie leben als die Genialen-Republik, von der einmal Schopenhauer erzählt;
ein Riese ruft dem anderen durch die öden Zwischenräume der Zeiten zu, und
ungestört durch muthwilliges lärmendes Gezwerge, welches unter ihnen weg-
ten „praktischen Philosophie“ bedingt, die er entsprechend zeitgemäß realis-
tisch4 konzipiert und naturalistisch garniert. - Georg Brandes, der durch seine
Vorlesungen über N. bereits 1888 maßgeblich zur Rezeption seiner Werke bei-
trug, wendet sich in seinem N.-Buch - trotz seiner großen Wertschätzung für
N. - entschieden gegen dessen Tendenz, in Eduard von Hartmann „mit unkriti-
scher Ungerechtigkeit einen Scharlatan sehen“ zu wollen (Brandes 2004, 98).
Demgegenüber betont Brandes dessen „großes Talent“ sowie analoge Prägun-
gen und Frontstellungen der „beiden feindlichen Brüder“ (vgl. ebd., 98-99).
Zu Brandes’ N.-Rezeption vgl. den ausführlichen Abschnitt in Kapitel II.8 des
Überblickskommentars. Vgl. auch NK 313, 34 - 314, 3.
316, 16-17 „das Streben nach individueller Willensverneinung ist eben so thö-
richt und nutzlos, ja noch thörichter als der Selbstmord“] Zitat aus Hartmanns
Philosophie des Unbewußten (635-636). Unter diesem Aspekt setzt sich Hart-
mann ausführlich mit der buddhistischen4 Position Schopenhauers auseinan-
der.
316, 18-22 „Der denkende Leser wird auch ohne weitere Andeutungen verste-
hen, wie eine auf diesen Principien errichtete praktische Philosophie sich gestal-
ten würde, und dass eine solche nicht die Entzweiung, sondern nur die volle Ver-
söhnung mit dem Leben enthalten kann.“] Auch hier zitiert N. aus Hartmanns
Philosophie des Unbewußten (638).
316, 26-29 Ein wackerer Engländer vermisst an ihnen delicacy of perception, ja
wagt zu sagen „in the German mind there does seem to be something splay,
something blunt-edged, unhandy and infelicitous“] N. zitiert aus Matthew Ar-
nolds Buch Literature and Dogma. An Essay towards a better Apprehension of
the Bible, 1873, XXVI. - Übersetzung: „in der Seele der Deutschen scheint et-
was schief, stumpf, ungeschickt und unglückselig zu sein“.
317, 5-6 mit „der Eule verzerrtem Ernste“, wie Goethe sagt] N. zitiert Verse, die
Goethe während seiner Leipziger Studentenzeit schrieb, und zwar unter dem
Titel Der Misanthrop: „Erst sitzt er eine Weile / Die Stirn von Wolken frei; / Auf
einmal kömmt in Eile / Sein ganz Gesicht der Eule / Verzerrtem Ernste bei“
(Goethe: FA, Abt. I, Bd. 1, 91-92).
317,12-22 eine Zeit, in welcher man überhaupt nicht mehr die Massen betrach-
tet, sondern wieder die Einzelnen, die eine Art von Brücke über den wüsten Strom
des Werdens bilden. Diese setzen nicht etwa einen Prozess fort, sondern leben
zeitlos-gleichzeitig, Dank der Geschichte, die ein solches Zusammenwirken zu-
lässt, sie leben als die Genialen-Republik, von der einmal Schopenhauer erzählt;
ein Riese ruft dem anderen durch die öden Zwischenräume der Zeiten zu, und
ungestört durch muthwilliges lärmendes Gezwerge, welches unter ihnen weg-