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Neymeyr, Barbara; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 1/2): Kommentar zu Nietzsches Unzeitgemässen Betrachtungen: I. David Strauss der Bekenner und der Schriftsteller, II. Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben — Berlin, Boston: De Gruyter, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.69926#0601
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Stellenkommentar UB II HL 10, KSA 1, S. 330-332 575

wissenschaftstheoretischem Hauptwerk The Structure of Scientiflc Revolutions
(1962) als ,Paradigmenwechsel‘ in der Wissenschaft gilt. Zu den Konzepten Ba-
chelards vgl. auch das Kapitel IL8 im Überblickskommentar.
331, 4-9 eine Gesundheitslehre des Lebens [...]gegen die Ueberwuche-
rung des Lebens durch das Historische, gegen die historische Krankheit] Die an-
schauliche Vorstellung der „Ueberwucherung des Lebens durch das Histori-
sche“ lässt an ein hypertrophes Pflanzenwachstum denken, so dass N. hier
ausgerechnet die Problematik der (gemäß UB II HL) lebensfeindlichen Historie
durch den Gedanken an exzessive Vitalität in der vegetabilischen Natur zum
Ausdruck zu bringen sucht. In einer früheren Passage der Historienschrift be-
tont er die Schädlichkeit eines Übermaßes in positiver wie negativer Hinsicht:
nämlich im Hinblick auf „eine hypertrophische Tugend“ wie auf „ein hypertro-
phisches Laster“ (246, 30-33). Vgl. dazu NK 246, 30-33. - Wie sehr die „histori-
sche Krankheit“ auch N.s eigener Erfahrung entsprach, zeigt die autobiogra-
phisch gefärbte „Vorrede“ zu Menschliches, Allzumenschliches II. Dort bekennt
N. im Rückblick auf UB II HL: „was ich gegen die ,historische Krankheit4 gesagt
habe, das sagte ich als Einer, der von ihr langsam, mühsam genesen lernte“
(KSA 2, 370, 4-6). Nach dem langwierigen Gesundungsprozess sieht sich N.
allerdings keineswegs geneigt, „fürderhin auf ,Historie4 zu verzichten“, nur
„weil er einstmals an ihr gelitten hatte“ (KSA 2, 370, 6-7). Vgl. auch NK 246,
25. Im Rückblick auf UB II HL erklärt N. 1888 in Ecce homo: Hier „wurde der
historische Sinn4, auf den dies Jahrhundert stolz ist, zum ersten Mal als Krank-
heit erkannt, als typisches Zeichen des Verfalls“ (KSA 6, 316, 20-22). Sommer
sieht in dieser knappen Reminiszenz ein Indiz dafür, dass N. in UB II HL „die
Option auf historische[n] Sinn4 vergeben“ fand, „den er zu dieser Zeit in ge-
nealogischer Absicht doch gerade zu rehabilitieren im Begriffe war“ (Sommer
1997, 44). Zuvor spricht sich N. allerdings schon in Menschliches, Allzumenschli-
ches I geradezu programmatisch für „das historische Philosophiren“
und für die „Tugend der Bescheidung“ aus (KSA 2, 25, 13-15). Der Polarität
von Historie und Leben gemäß UB II HL tritt in Jenseits von Gut und Böse eine
andersgeartete Konstellation entgegen: Hier definiert N. zunächst „Leben“ als
„Wille zur Macht“, bezeichnet dann Ausbeutung4 als „eine Folge des eigentli-
chen Willens zur Macht“, „der eben der Wille des Lebens ist“, und stellt
schließlich summarisch fest: „als Realität ist es das Ur-Faktum aller Ge-
schichte“ (KSA 5, 208, 4-17). Zum ,Willen zur Macht4 bei N. vgl. die einschlägi-
gen Abhandlungen von Volker Gerhardt 1996 und Günter Abel 1998. Vgl. auch
Volker Gerhardt 1981/82, 193-221.
332, 5-33 den begeisternden Trost der Hoffnung [...] jene Gesellschaft der Hof-
fenden [...] Lacht euch nicht dabei das Herz, ihr Hoffenden?] Im Planungsstadi-
 
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