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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0041
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Überblickskommentar 21

(Hauptstücke 5 bis 9) mit Politik und Moral (Strauss 1983, 176). J. Harvey Lo-
max hat dieser Einteilung nichts Substantielles hinzuzufügen, wenn er, ohne
Strauss zu nennen, die ersten drei Teile von JGB der theoretischen, die letzten
fünf der praktischen Philosophie zuschlägt (Lomax 2003, 6). Laurence Lampert
schließlich braucht in seinem ausführlichen Kommentar wenig mehr als eine
Seite, um seine Leser über Struktur und Konzeption von JGB zu unterrichten
(Lampert 2001, 6 f.). Der Ertrag dieser Seite beschränkt sich im Wesentlichen
auf die Wiederholung der Strauss’schen Einteilung.
Wiederholt wird die Parallele der Grobstruktur von JGB zu MA I bemerkt -
einem Werk, das ebenfalls in „Hauptstücke“ gegliedert ist und auch in der
thematischen Ausrichtung sowie bei der Verortung mancher Hauptstücke über-
einstimmt. Die neun Hauptstücke von JGB lauten: „Erstes Hauptstück: von den
Vorurtheilen der Philosophen“ (JGB 1-23), „Zweites Hauptstück: der freie Geist“
(JGB 24-44), „Drittes Hauptstück: das religiöse Wesen“ (JGB 45-62; vgl. MA I:
„Drittes Hauptstück. Das religiöse Leben“), „Viertes Hauptstück: Sprüche und
Zwischenspiele“ (JGB 63-185), „Fünftes Hauptstück: zur Naturgeschichte der
Moral“ (JGB 186-203; vgl. MA I: „Zweites Hauptstück. Zur Geschichte der mora-
lischen Empfindungen“), „Sechstes Hauptstück: wir Gelehrten“ (JGB 204-213,
vgl. MA I: „Sechstes Hauptstück. Der Mensch im Verkehr“), „Siebentes Haupt-
stück: unsere Tugenden“ (JGB 214-239); „Achtes Hauptstück: Völker und Vater-
länder“ (JGB 240-256 vgl. MA I: „Achtes Hauptstück. Ein Blick auf den Staat“)
und „Neuntes Hauptstück: was ist vornehm?“ (JGB 257-296, vgl. MA I: „Neun-
tes Hauptstück. Der Mensch mit sich allein“). Die Überschriften geben zwar
manche thematische Schwerpunkte innerhalb der Hauptstücke an, diese sind
jedoch nicht systematisch gegliedert und verfolgen keinen durchgehenden Ge-
dankenfaden. Viele der aphoristischen oder kurzessayartigen Texte hat N. im
Laufe der Arbeit wiederholt an anderen Stellen, auch in anderen Hauptstücken
platziert. Während die einzelnen Abschnitte im Durchschnitt oft mindestens
eine Seite lang sind, enthält das Vierte Hauptstück sentenzartig verkürzte Ein-
bis Fünfzeiler; auch im Titel ist es das einzige Hauptstück, das keine themati-
schen Eingrenzungen macht.
Der Untertitel des Werkes - „Vorspiel einer Philosophie der Zukunft“ (KSA
5, 9, 2 f.) - stellt seinen einführenden, initiatorischen Charakter heraus. Dieser
Untertitel erweckt den Anschein, JGB sei als Protreptikos, als Werbeschrift für
die „Philosophie der Zukunft“ konzipiert. Die Protreptik (npoTpEHTiKp texvt])
ist seit der Antike die Kunst der Überredung zu einem bestimmten Tun - eine
Kunst, die sich die Philosophen schon früh zunutze gemacht haben, um das
Philosophieren als das eigentlich erstrebenswerte Tun ins richtige Licht zu rü-
cken. Den herkömmlichen Protreptikoi der Philosophie und namentlich ihren
populärsten Propagandisten steht N. zur Entstehungszeit der ersten Texte von
 
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