66 Jenseits von Gut und Böse
gen abzuspannen, einmal durch den Jesuitismus, zum zweiten Mal durch die
demokratische Aufklärung: — als welche mit Hülfe der Pressfreiheit und des
Zeitunglesens es in der That erreichen dürfte, dass der Geist sich selbst nicht
mehr so leicht als „Noth“ empfindet!] Dieser Passus verwertet Überlegungen aus
dem Notizbuch N VII1, in denen die historische Perspektive freilich noch ver-
kürzt bleibt, weil sowohl Platon und der Platonismus als auch der „Kampf“ als
Voraussetzung der „Spannung“ noch nicht ins Bild eingetragen werden: „Der
kirchliche ru andererseits der fürstliche-1 Druck rvon Jahrtausenden-1 hat rin Eu-
ropa eine prachtvolle Spannung des Bogens rGeistes-1 geschaffen, insglcichcn
der monarchische:r: insgleichen der Druck argwöhnischer Gewaltherren-1 r: mit
einem so gespannten Bogen kann man [nunmehr] nach den fernsten Zielen
schießen.n die beiden versuchten Entspannungen (statt mit dem Bogen zu
schießen) sind Treilich, man hat diese Spannung als Noth empfunden: es ist
zwei Mal im großen Stile versucht worden, den Bogen abzuspannen, statt mit
ihm zu schießen, einmal durch-1 1) der Jesuitsm 2) Die rsocialist-1 Demokratie.
rzu zweit durch die Revolution u. in der demokr. Aufklärung, mit Preßfreiheit
welche, mit Hülfe der Preßfreiheit, verhüten will, daß der Geist sich rferner
noch-1 als Noth empfindet. So ''aber-' empfang ihn je B. Paskal: aus seiner
furchtbaren Spannung heraus erfand er jene mörderische Art von Lachen, mit
welcher er die Jes. seiner Zeit todt lachte.-1“ Ursprünglich hieß es überdies
noch: „Pascal ist rwar ein-1 das herrliche Anzeichen von jener furchtbaren
Spannung: er lachte die Jesuiten todt. — Ich bin zufrieden mit despotischen
Zuständen, vorausgesetzt, daß man mit gemischten Rassen zu thun hat, wo
immer eine Spannung überhaupt gegeben ist. Freilich: die Gefahr solcher Ver-
suche ist groß. — Die ''europäische-1 Demokratie ist nicht roder zum kleinsten
Theile-1 eine Entfesselung von Kräften, sondern rvor Allem-1 eine Entfesselung
von Sich-gehen-lassen, von Bequem-haben-wollen, von inneren Faulheiten-der
Seele. Ebenso die Presse.“ (Bereinigte Druckfassung in NL 1885, KSA 11,
34[163], 475, 20-476, 3, hier korrigiert nach: KGW IX 1, N VII1, 81, 1-34. Siehe
Röllin 2012, 217 und zur Interpretation NK 13, 6; vgl. auch die in NK 121, 10-19
mitgeteilte Vorarbeit zu JGB 200.) Der Hinweis auf Pascal fehlt in der letzten
Fassung der Vorrede von JGB, war aber ursprünglich noch im Druckmanuskript
erhalten, vgl. dazu NK 13, 11-16.
Die Grundthese, die im Nachlass stärker entfaltet wird als in der Vorrede
von JGB, besagt, egalitäre und demokratische Verhältnisse führten dazu, dass
die mentalen Fähigkeiten des Menschen, anstatt sich durch Anspannung wei-
ter zu entwickeln, gerade ermatten: Der „Geist“ bedarf zu seiner Selbstkonsti-
tution - er ist wesentlich Spannung - nicht äußerer Freiheiten, sondern des
Widerstandes, an dem er sich abarbeiten kann, was an Platon und am Chris-
tentum geschehen ist. In der Fluchtlinie dieses Gedankens entwickelt GD
gen abzuspannen, einmal durch den Jesuitismus, zum zweiten Mal durch die
demokratische Aufklärung: — als welche mit Hülfe der Pressfreiheit und des
Zeitunglesens es in der That erreichen dürfte, dass der Geist sich selbst nicht
mehr so leicht als „Noth“ empfindet!] Dieser Passus verwertet Überlegungen aus
dem Notizbuch N VII1, in denen die historische Perspektive freilich noch ver-
kürzt bleibt, weil sowohl Platon und der Platonismus als auch der „Kampf“ als
Voraussetzung der „Spannung“ noch nicht ins Bild eingetragen werden: „Der
kirchliche ru andererseits der fürstliche-1 Druck rvon Jahrtausenden-1 hat rin Eu-
ropa eine prachtvolle Spannung des Bogens rGeistes-1 geschaffen, insglcichcn
der monarchische:r: insgleichen der Druck argwöhnischer Gewaltherren-1 r: mit
einem so gespannten Bogen kann man [nunmehr] nach den fernsten Zielen
schießen.n die beiden versuchten Entspannungen (statt mit dem Bogen zu
schießen) sind Treilich, man hat diese Spannung als Noth empfunden: es ist
zwei Mal im großen Stile versucht worden, den Bogen abzuspannen, statt mit
ihm zu schießen, einmal durch-1 1) der Jesuitsm 2) Die rsocialist-1 Demokratie.
rzu zweit durch die Revolution u. in der demokr. Aufklärung, mit Preßfreiheit
welche, mit Hülfe der Preßfreiheit, verhüten will, daß der Geist sich rferner
noch-1 als Noth empfindet. So ''aber-' empfang ihn je B. Paskal: aus seiner
furchtbaren Spannung heraus erfand er jene mörderische Art von Lachen, mit
welcher er die Jes. seiner Zeit todt lachte.-1“ Ursprünglich hieß es überdies
noch: „Pascal ist rwar ein-1 das herrliche Anzeichen von jener furchtbaren
Spannung: er lachte die Jesuiten todt. — Ich bin zufrieden mit despotischen
Zuständen, vorausgesetzt, daß man mit gemischten Rassen zu thun hat, wo
immer eine Spannung überhaupt gegeben ist. Freilich: die Gefahr solcher Ver-
suche ist groß. — Die ''europäische-1 Demokratie ist nicht roder zum kleinsten
Theile-1 eine Entfesselung von Kräften, sondern rvor Allem-1 eine Entfesselung
von Sich-gehen-lassen, von Bequem-haben-wollen, von inneren Faulheiten-der
Seele. Ebenso die Presse.“ (Bereinigte Druckfassung in NL 1885, KSA 11,
34[163], 475, 20-476, 3, hier korrigiert nach: KGW IX 1, N VII1, 81, 1-34. Siehe
Röllin 2012, 217 und zur Interpretation NK 13, 6; vgl. auch die in NK 121, 10-19
mitgeteilte Vorarbeit zu JGB 200.) Der Hinweis auf Pascal fehlt in der letzten
Fassung der Vorrede von JGB, war aber ursprünglich noch im Druckmanuskript
erhalten, vgl. dazu NK 13, 11-16.
Die Grundthese, die im Nachlass stärker entfaltet wird als in der Vorrede
von JGB, besagt, egalitäre und demokratische Verhältnisse führten dazu, dass
die mentalen Fähigkeiten des Menschen, anstatt sich durch Anspannung wei-
ter zu entwickeln, gerade ermatten: Der „Geist“ bedarf zu seiner Selbstkonsti-
tution - er ist wesentlich Spannung - nicht äußerer Freiheiten, sondern des
Widerstandes, an dem er sich abarbeiten kann, was an Platon und am Chris-
tentum geschehen ist. In der Fluchtlinie dieses Gedankens entwickelt GD