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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0205
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Stellenkommentar JGB 19, KSA 5, S. 31 185

Macht“ folgen, wie es in JGB 36 dann entworfen wird, allerdings weniger durch
Pluralisierung des Willens als vielmehr durch die Zurückweisung des dort for-
mulierten Satzes, „unser gesammtes Triebleben [sei] als die Ausgestaltung und
Verzweigung Einer Grundform des Willens zu erklären“ (KSA 5, 55, 24 f.). Denn
nimmt man JGB 19 ernst, hat sich die in JGB 36 hypothetisch formulierte Idee
der Einheitlichkeit und Ursprünglichkeit des „Willens zur Macht“ entweder als
bloße Provokation erledigt, da Wille nichts Ursprüngliches, Einheitliches oder
Unzusammengesetzes ist, - oder aber der Leser wird herausgefordert, sich zwi-
schen den unvereinbaren Begriffsangeboten zu entscheiden (falls er sie nicht
beide verwerfen will). Vgl. auch Dufour 2013/14, 88 f. u. Hill 2013/14, 139.
31, 28-32, 3 Die Philosophen pflegen vom Willen zu reden, wie als ob er die
bekannteste Sache von der Welt sei; ja Schopenhauer gab zu verstehen, der Wille
allein sei uns eigentlich bekannt, ganz und gar bekannt, ohne Abzug und Zuthat
bekannt. Aber es dünkt mich immer wieder, dass Schopenhauer auch in diesem
Falle nur gethan hat, was Philosophen eben zu thun pflegen: dass er ein Volks-
Vorurtheil übernommen und übertrieben hat.] Nach Schopenhauer erkennt
sich der Mensch als vom Willen bestimmt - und zwar sei dies eine unmittelba-
re Selbsterkenntnis: „Nicht allein in [...] Menschen und Tieren, wird er [sc. der
Mensch] als ihr innerstes Wesen jenen nämlichen Willen anerkennen; sondern
die fortgesetzte Reflexion wird ihn dahin leiten, auch die Kraft, welche in der
Pflanze treibt und vegetiert, ja, die Kraft, durch welche der Krystall anschießt,
die, welche den Magnet zum Nordpol wendet, die, deren Schlag ihm aus der
Berührung heterogener Metalle entgegenfährt, die, welche in den Wahlver-
wandtschaften der Stoffe als Fliehen und Suchen, Trennen und Vereinen er-
scheint, ja, zuletzt sogar die Schwere, welche in aller Materie so gewaltig
strebt, den Stein zur Erde und die Erde zur Sonne zieht, — diese alle nur in der
Erscheinung für verschieden, ihrem innern Wesen nach aber als dasselbe zu
erkennen, als jenes ihm unmittelbar so intim und besser als alles andere Be-
kannte, was da, wo es am deutlichsten hervortritt, Wille heißt.“ (Schopen-
hauer 1873-1874, 2, 131, vgl. Frauenstädt 1871, 2, 160). Im Handschriftlichen
Nachlaß, den N. studiert hat, benutzte Schopenhauer jene Formulierung, auf
die JGB 19 anspielt: „Ich habe das Ding an sich, das innere Wesen der Welt,
benannt nach dem aus ihr, was uns am genauesten bekannt ist: Wille.
Freilich ist dies ein subjektiv, nämlich aus Rücksicht auf das Subjekt des
Erkennens gewählter Ausdruck: aber diese Rücksicht ist, da wir Erkennt-
niß mittheilen, wesentlich. Also ist es unendlich besser, als hätt’ ich es ge-
nannt etwan Br ahm oder Welt se eie oder was sonst.“ (Schopenhauer
1864, 338) Die Unterstellung in JGB 19, dass Schopenhauer hier ein „Volks-
Vorurtheil“ übernehme, bekommt ihren besonderen Biss durch den Um-
stand, dass Schopenhauer stets ein ausgesprochenes Singularitätsbewusstsein
 
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