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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0258
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238 Jenseits von Gut und Böse

bei der Ausprägung von Machiavellis Denk- und Schreibstil. In 46, 7-10 findet
eine Naturalisierung von Sprachen statt, deren unterschiedliche Tempi auf sol-
che im „»Stoffwechsel“4 der diese Sprache sprechenden „Rasse“ zurückgeführt
wird. Wo dieser „Stoffwechsel“ - in der Vorarbeit KGW IX 5, W I 8, 185, 8
fehlen beim „Stoffwechsel“ die Anführungszeichen - greifbar sein soll und was
überhaupt der „Stoffwechsel“ einer „Rasse“ bedeutet, bleibt unklar. Die Ein-
gangspassage von JGB 28 lebt von der durch die Worte „Rasse“, „physiolo-
gisch“ und „Stoffwechsel“ erzeugten Suggestion natürlicher Gegebenheiten,
ohne dass solche Gegebenheiten tatsächlich nachgewiesen oder empirisch er-
hoben würden.
46, 10-20 Es giebt ehrlich gemeinte Übersetzungen, die beinahe Fälschungen
sind, als unfreiwillige Vergemeinerungen des Originals, bloss weil sein tapferes
und lustiges tempo nicht mit übersetzt werden konnte, welches über alles Gefähr-
liche in Dingen und Worten wegspringt, weghilft. Der Deutsche ist beinahe des
Presto in seiner Sprache unfähig: also, wie man billig schliessen darf, auch vieler
der ergötzlichsten und verwegensten Nuances des freien, freigeisterischen Gedan-
kens. So gut ihm der Buffo und der Satyr fremd ist, in Leib und Gewissen, so gut
ist ihm Aristophanes und Petronius unübersetzbar.] „Presto“ ist die Vortragsan-
weisung in der Musik, die ein sehr schnelles Tempo verlangt. Als „Buffo“ wird
die aufs Komische hin angelegte Opern-Männerrolle bezeichnet. Vgl. NK 45,
25-31.
In N.s Frühwerk diente der bedeutendste griechische Komödiendichter
Aristophanes (ca. 450-380 v. Chr.) als Gewährsmann für seinen Dekadenzver-
dacht gegen Sokrates (vgl. NK KSA 1, 88, 22-28 u. Müller 2005, 181 f.). In N.s
Bibliothek haben sich diverse griechische und deutsche Aristophanes-Ausga-
ben erhalten (NPB 112-114). Eine besondere Prominenz erlangte Aristophanes
in N.s Denken bis Mitte der achtziger Jahre allerdings nicht, bis N. ihn unter
Anspielung auf Lysistrate in einem Brief an Köselitz vom 21. 08.1885 als „heili-
gen Aristophanes!“ anrief (KSB 7/KGB III/3, Nr. 624, S. 87, Z. 78), was in JGB
232 wiederum direkt aufgenommen wird (vgl. NK 170, 29-171, 15). In NL 1887,
KSA 12, 9[157], 428, 23-25 (KGW IX 6, W II 1, 23, 22-26) erscheint Aristophanes
dann in einer ganzen Reihung von Caesar bis Goethe, für die gelten soll: „die
,Unmoralität4 gehört zur Größe“. Gegen Ende von JGB 28 (47, 17-27) wird der
Komödiendichter nicht nur zu einer Gegengestalt des weltflüchtigen Platon sti-
lisiert, sondern in seiner Heiterkeit zur personifizierten Rechtfertigung des
Griechentums. Dieses Griechentum entpuppt sich keineswegs als exempla-
risch-kanonische Kultur, sondern vielmehr als eine, die „der Verzeihung, der
Verklärung bedarf“ (47, 20). Die gleich folgende Nennung Platons wiederum
macht deutlich, was hier als verzeihungsbedürftig angesehen wird: nämlich
 
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