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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0260
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240 Jenseits von Gut und Böse

Umrissen richtig erfasst - einschlägige Stellen hatte sich N. bei Saint-Ogan
1885, 247 f. markiert. In N.s Bibliothek haben sich neben einer Göschen-Ausga-
be von Lessings Werken (Lessing 1867) ursprünglich auch die von Lessing
übersetzten, von N. 1879 erworbenen Dramen von Denis Diderot (1713-1784)
befunden (Diderot 1760). Von Voltaire (1694-1778), mit dem er allerdings in
persönlichen Streit geraten war, hat Lessing eine deutsche Ausgabe der Kleine-
ren historischen Schriften besorgt. Lessings Nähe zu den „römischen Lustspiel-
dichtern“ zeigt sich namentlich in der intensiven Beschäftigung mit Plautus,
dessen Komödien Captivi und Trinummus er ins Deutsche übersetzt oder fürs
Deutsche adaptiert hat.
Wörtlich falsch ist hingegen die Behauptung, Lessing sei „der Übersetzer
Bayle’s“, so groß die Nähe des deutschen Dichters zum französischen Frühauf-
klärer auch gewesen sein mag: Die deutsche Übersetzung von Pierre Bayles
(1647-1706) berühmtem Hauptwerk Dictionnaire historique et critique (1697)
hat - viele kritische Spitzen abschwächend - Johann Christoph Gottsched ver-
antwortet (1741-1744). Die Aufzeichnung NL 1885, KSA 11, 35[66], 539, 17 (ent-
spricht KGW IX 4, W I 3, 71) behauptet auch noch nicht eine entsprechende
Übersetzertätigkeit, sie lautet nur: „Lessing — Bayle“. Wenn man sich nicht
mit der Erklärung behelfen will, N. verstehe „Übersetzer“ in einem übertrage-
nen Sinn als denjenigen, der Bayle in der deutschen Kultur heimisch gemacht
habe, fragt sich, wie N., der sich sonst kaum mit Bayle auseinandergesetzt hat,
auf die Falschinformation hat verfallen können (bei Saint-Ogan 1885, 155-159
wird zwar Bayle ausführlich behandelt, aber ohne Bezug auf Lessing). Eine
mögliche Spur führt zur Schriftstellerin und Übersetzerin Helen Zimmern
(1846-1934), die 1884 und 1886 ihren Sommerurlaub in Sils-Maria verbrachte,
dort N. begegnete und mit ihm im Gespräch war (vgl. N. an Malwida von Mey-
senbug, 01. 09.1884, KSB 6/KGB III/l, Nr. 528, S. 523, Z. 44-52; N. an Köselitz,
20. 07.1886, KSB 7/KGB III/3, Nr. 724, S. 214, Z. 65-71). Sie hatte 1878 auf Eng-
lisch eine Lessing-Monographie veröffentlicht, in der Bayle eine zentrale Rolle
spielt: Lessing „should turn to Pierre Bayle as his master. / The influence of
Bayle upon the eighteenth Century was immense; indeed its distinctive charac-
ter, as the epoch of protest against the traditional, may be said to have been
impressed on it by him. The ,Critical Dictionary/ designed ,not to inculcate
scepticism, but to suggest doubts,‘ this ample and tolerant monument of erudi-
te acumen, thoroughly commended itself to Lessing’s temper. He determined
to work on this model“ (Zimmern 1878, 68, vgl. 69-71 u. 128). N. hat Zimmerns
Buch sicher nicht gelesen, aber es erscheint möglich, dass er von ihr ge-
sprächsweise etwas über die nach ihrer Darstellung eminente Rolle Bayles in
Lessings geistigem Haushalt erfuhr („his favourite Bayle, whom in some men-
tal characteristics he so much resembled“ - ebd., 350) und eine Gesprächserin-
 
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