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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0405
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Stellenkommentar Viertes Hauptstück, KSA 5, S. 85 385

1854-1971, 17, 165-169), sodann war „Spruch“ im Gebrauch „prägnant, von ge-
sprochenem, in Worten ausgedrücktem, was wie der spruch des richters feier-
lich vorgetragen wird, was feste form hat, was durch form oder (und) inhalt
allgemeineres interesse beansprucht“ (ebd., 170), „von formelhaften Wortver-
bindungen allgemein, die bei bestimmten anlässen gesprochen, feierlich vor-
getragen werden“ (ebd., 172). Als Spruch gilt weiter ein „kurzer prägnanter,
eine lehre, mahnung, Wahrheit enthaltender satz“ (ebd., 173), „überhaupt kur-
ze geschlossene Wortverbindung, behauptung, satz mit eigenartigem inhalt,
besonders soweit sie auf allgemeine beachtung anspruch machen“ (ebd., 175).
Dass N. mit seinen „Sprüchen“ auf allgemeine Beachtung Anspruch machen
wollte, ist ebenso offensichtlich wie die der Form des Spruches eigentümliche
Verknappung: jede argumentative Herleitung, jede rechtfertigende Erläuterung
der in Spruchform gebrachten Einsichten entfällt in den Kurztexten des Vierten
Hauptstücks: Die Leser müssen diese Herleitungs- und Erläuterungsleistung
selbst erbringen. Das vermeintlich apodiktische Sprechen im „Spruch“ löst
sich aber bei N., da meist doch keine klare Lehre aus den Kurztexten des Vier-
ten Hauptstücks zu destillieren ist, unversehens wieder auf und fordert den
Leser selbst zu intellektueller Positionierung auf.
Der Ausdruck „Zwischenspiel“ im Singular kommt in N.s Briefen, Werken
und Nachlass nur etwa ein halbes Dutzend Mal vor - zuerst noch ganz ohne
literarisch-philosophische Ambition zur Bezeichnung einer unangenehmen
Unterbrechung der Routine: Hermann Mushacke habe, so heißt es in einem
Brief an diesen vom August 1868, wohl „gar nichts davon erfahren, daß mein
Militärdienst ein unangenehmes Zwischenspiel gehabt hat, in Gestalt einer
langwierigen, schmerzhaften und nicht ungefährlichen Krankheit“ (KSB 2/KGB
1/2, Nr. 586, S. 312, Z. 4-7). NL 1875, KSA 8, 11[22], 208 benutzt den Ausdruck
schon pointierter, nämlich im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Weltge-
schichte, die das Christentum als „verdummende[s] Zwischenspiel“ hinstellt.
Prominent hervortreten lässt das „Zwischenspiel“ N.s letzte Komposition, der
1874 fertiggestellte Hymnus auf die Freundschaft, wo zwischen die „Strophen“
des Hymnus jeweils explizit ein „Zwischenspiel“ von 97 Takten als Variationen
über die Hymnus-Melodie zu stehen kommt (vgl. Janz 1978, 1, 539 u. N. an
Malwida von Meysenbug, 02. 01.1875, KSB 5/KGB II/5, Nr. 414, S. 7). An diesen
musikkompositorischen Gebrauch, den N. vom Begriff des Zwischenspiels
machte, erinnert auch NL 1881, KSA 9, 14[22], 630, wonach der Schreibende
eine Musik, die nicht zwischen Musik und Begleitung unterscheide, „jetzt nur
noch als ein kurzes Zwischenspiel“ ertrage, „als einen idealen Lärm, der uns
begierig nach dem Wiederbeginn des Gesanges macht“. Danach taucht das
Zwischenspiel - diesmal im Plural - erst wieder im Titel des hier zur Diskussi-
on stehenden Hauptstücks von JGB auf sowie in einem früheren Gliederungs-
 
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