488 Jenseits von Gut und Böse
Kontext rückt der Gedanke dann in NL 1884/85, KSA 11, 31[53], 386,13 f. („kalte
kühle Menschen, solche denen man ihre Thorheiten nicht glauben will“); erst
in NL 1884/85, KSA 11, 32[9], 404, 26-28 wird die Klugheit als Kontrastmittel
benutzt: „kalte kühle Menschen, solche denen man ihre Thorheiten nicht glau-
ben will: man legt sie schlimm aus als schlimme Klugheiten“. Es hält sich in
der Genese von JGB 178 also kein Gedanke, sondern eine Formulierung durch -
Klugheit und Kälte sind dabei ebenso austauschbar wie Tugenden und Torhei-
ten.
Das Wort „Menschenrecht“ taucht in N.s Schriften und Nachlass nur selten
auf. An den beiden anderen in den publizierten Schriften einschlägigen Stel-
len, nämlich MA I 552, KSA 2, 330, 15 u. M 274, KSA 3, 214, 25, kommt das
jeweils singularische „Menschenrecht“ nur ironisch zum Gebrauch; in einer
gegen Sozialismus gerichteten Aufzeichnung in NL 1877, KSA 8, 25[1], 482, 18 f.
heißt es lapidar: „Menschenrechte giebt es nicht.“ In der Tradition der Franzö-
sischen Revolution werden zu N.s Zeit Menschenrechte verstanden als „Ge-
samtheit derjenigen idealen Ansprüche, welche der Mensch als solcher an den
Staat erhebt, also der Ansprüche des Menschen auf Rechte, »welche mit ihm
geboren sind4, und deren Gewährleistung er vom Staat verlangt“ (Meyer 1885-
1892, 11, 479). Bei N. hingegen erhält der Ausdruck, sofern er nicht pejorativ
gefärbt ist, andere Bedeutungen, die mehr ins Gebiet des Intellektuellen als in
das des Politisch-Juristischen gehören. Zum Nachsatz von JGB 178, der sich in
keiner Vorfassung findet, gibt es in NL 1884, KSA 11, 25 [477], 140, 3-5 eine
Parallele: „Wer so steht wie ich, verliert, mit Goethe zu reden, »eines der größ-
ten Menschenrechte, nicht mehr von Seinesgleichen beurtheilt zu werden4“. N.
bezieht sich damit auf eine von Goethes Maximen und Reflexionen: „Der Alte
verliert eins der größten Menschenrechte, er wird nicht mehr von seines Glei-
chen beurtheilt.“ (Goethe 1853-1858, 3, 191). Während das Nachlassnotat das
„Menschenrecht“, von Seinesgleichen beurteilt zu werden, auf das einsame
Denker-Ich anwendet, das nicht mehr Seinesgleichen hat, die es beurteilen
könnten, ergeht es in JGB 178 den Klugen so, dass ihre Torheiten nicht verstan-
den werden, wenn sie nicht von Ihresgleichen, sondern von Dummen beurteilt
werden. Nur Ihresgleichen wären im Stande, die Torheiten als Torheiten zu
erkennen.
179.
103,17 f. Die Folgen unsrer Handlungen fassen uns am Schopfe, sehr gleichgültig
dagegen, dass wir uns inzwischen „gebessert“ haben.] Darin stimmen im Wort-
laut die Niederschriften NL 1882, KSA 10, 3[1]86, 63, 22 f. und NL 1883, KSA
10, 12[1]113, 393, 1-3 überein. JGB 179 nimmt redensartliche Wendungen auf,
Kontext rückt der Gedanke dann in NL 1884/85, KSA 11, 31[53], 386,13 f. („kalte
kühle Menschen, solche denen man ihre Thorheiten nicht glauben will“); erst
in NL 1884/85, KSA 11, 32[9], 404, 26-28 wird die Klugheit als Kontrastmittel
benutzt: „kalte kühle Menschen, solche denen man ihre Thorheiten nicht glau-
ben will: man legt sie schlimm aus als schlimme Klugheiten“. Es hält sich in
der Genese von JGB 178 also kein Gedanke, sondern eine Formulierung durch -
Klugheit und Kälte sind dabei ebenso austauschbar wie Tugenden und Torhei-
ten.
Das Wort „Menschenrecht“ taucht in N.s Schriften und Nachlass nur selten
auf. An den beiden anderen in den publizierten Schriften einschlägigen Stel-
len, nämlich MA I 552, KSA 2, 330, 15 u. M 274, KSA 3, 214, 25, kommt das
jeweils singularische „Menschenrecht“ nur ironisch zum Gebrauch; in einer
gegen Sozialismus gerichteten Aufzeichnung in NL 1877, KSA 8, 25[1], 482, 18 f.
heißt es lapidar: „Menschenrechte giebt es nicht.“ In der Tradition der Franzö-
sischen Revolution werden zu N.s Zeit Menschenrechte verstanden als „Ge-
samtheit derjenigen idealen Ansprüche, welche der Mensch als solcher an den
Staat erhebt, also der Ansprüche des Menschen auf Rechte, »welche mit ihm
geboren sind4, und deren Gewährleistung er vom Staat verlangt“ (Meyer 1885-
1892, 11, 479). Bei N. hingegen erhält der Ausdruck, sofern er nicht pejorativ
gefärbt ist, andere Bedeutungen, die mehr ins Gebiet des Intellektuellen als in
das des Politisch-Juristischen gehören. Zum Nachsatz von JGB 178, der sich in
keiner Vorfassung findet, gibt es in NL 1884, KSA 11, 25 [477], 140, 3-5 eine
Parallele: „Wer so steht wie ich, verliert, mit Goethe zu reden, »eines der größ-
ten Menschenrechte, nicht mehr von Seinesgleichen beurtheilt zu werden4“. N.
bezieht sich damit auf eine von Goethes Maximen und Reflexionen: „Der Alte
verliert eins der größten Menschenrechte, er wird nicht mehr von seines Glei-
chen beurtheilt.“ (Goethe 1853-1858, 3, 191). Während das Nachlassnotat das
„Menschenrecht“, von Seinesgleichen beurteilt zu werden, auf das einsame
Denker-Ich anwendet, das nicht mehr Seinesgleichen hat, die es beurteilen
könnten, ergeht es in JGB 178 den Klugen so, dass ihre Torheiten nicht verstan-
den werden, wenn sie nicht von Ihresgleichen, sondern von Dummen beurteilt
werden. Nur Ihresgleichen wären im Stande, die Torheiten als Torheiten zu
erkennen.
179.
103,17 f. Die Folgen unsrer Handlungen fassen uns am Schopfe, sehr gleichgültig
dagegen, dass wir uns inzwischen „gebessert“ haben.] Darin stimmen im Wort-
laut die Niederschriften NL 1882, KSA 10, 3[1]86, 63, 22 f. und NL 1883, KSA
10, 12[1]113, 393, 1-3 überein. JGB 179 nimmt redensartliche Wendungen auf,