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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0625
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Stellenkommentar JGB 213, KSA 5, S. 148-149 605

französische Hof zu Versailles in diese Position auf. NL 1885, KSA 11, 41 [2]8,
676, 22-24 (entspricht KGW IX 4, W I 5, 10, 28-30) spricht vom „olympischen
,Hof der Höfe“4, nämlich der ,,große[n] Reihe der Eigentlichen und Ächten
höchsten Ranges“, der sich Richard Wagner nicht zugesellen dürfe. In der ul-
tradiplomatischen Transkription ist gut zu sehen, dass das Epitheton „olympi-
schen“ oberhalb der Zeile offenbar zur Verdeutlichung eingefügt worden ist
(KGW IX 4, W I 5,10, 29). Der Olymp gilt nach Homer als Hof des Zeus und der
Götter, vgl. Odyssee IV 74: „Zqvoc; nou ToiqÖE y’ ’OÄupniou evöoöev aüAq“
(„Also glänzt wohl von innen der Hof des olympischen Gottes“, wie Johann
Heinrich Voß übersetzt).
148, 28-33 ein Recht auf Philosophie — das Wort im grossen Sinne genom-
men — hat man nur Dank seiner Abkunft, die Vorfahren, das „Geblüt“ entschei-
det auch hier. Viele Geschlechter müssen der Entstehung des Philosophen vorge-
arbeitet haben; jede seiner Tugenden muss einzeln erworben, gepflegt, fortge-
erbt, einverleibt worden sein] Die Konsequenz aus dem Versuch, die Philosophie
zu entdemokratisieren und das Philosoph-Sein als Geburtsprivileg auszuwei-
sen, wird hier nach den zeitgenössischen evolutionistischen Denkschemata
durchbuchstabiert: Der Philosoph ist nicht einfach nur Philosoph von Geburt
und unterscheidet sich damit von der großen Masse, sondern er ist dazu gewor-
den erst in der Konsequenz einer sich über viele Generationen in die Vergan-
genheit zurückerstreckenden Entwicklung. Die Darstellung hat eine Spitze ge-
gen populäre Varianten des Darwinismus: Bei der Evolution des Philosophen
fand nicht einfach eine Anpassung an Umweltbedingungen statt, sondern -
das ist N.s Variante des Lamarckismus (vgl. NK ÜK JGB 199 u. NK ÜK JGB 264) -
erworbene Eigenschaften wurden angeblich direkt vererbt.
149, 6f. die Lust und Übung in der grossen Gerechtigkeit] Nach Heideggers N.-
Interpretation ist „Gerechtigkeit“ eines der „fünf Grundworte“ von N.s Meta-
physik (Heidegger 1989, 2, 329), als deren „Grundcharakter“ Heidegger den
„Willen zur Macht“ ansetzt (ebd., 331).
Siebentes Hauptstück: unsere Tugenden.
Das „Wir“, das hinter dem Possessivprononomen im Titel des Siebenten Haupt-
stücks steht, ist offensichtlich nicht mit dem „Wir“ identisch, das sich im Titel
des Sechsten Hauptstücks zum Gelehrtendasein bekennt. Jenes neue „Wir“
lässt die alten Tugendbindungen hinter sich, bleibt aber im Blick auf seine
eigenen Tugenden auch in diesem Hauptstück noch im Vagen und Unbestimm-
ten. Der erste Satz des Siebenten Hauptstücks ist entsprechend auch als Frage
formuliert: „Unsere Tugenden?“ (151, 4) Ein neuer Tugendkatalog unterbleibt,
 
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