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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0718
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698 Jenseits von Gut und Böse

288, zu N.s Gebrauch eines anderen Klopstock-Verses siehe NK 148, 4f.). Bei
Martial: Epigrammata XII 24, 10 ist das „dritte Ohr“ schlicht dasjenige eines
unerwünschten Zuhörers („Aurem non ego tertiam timerem.“ „Fürchten wollt’
ich gewiß das dritte Ohr nicht. Martialis 1865, 436). Demgegenüber indiziert
das „dritte Ohr“ in JGB 246 die Fähigkeit, mehr wahrzunehmen als gewöhnli-
che Sterbliche. Stegmaier 2010, 152 schreibt, N. wünsche „sich für seine Texte
,das dritte Ohr‘ für ihre Musik“. Tatsächlich staunt man immer wieder, was N.s
Leser alles aus seinen Texten heraushören zu können meinen.
189, 14 staccato] Vgl. Meyer 1885-1892, 15, 208: „Staccato (ital., abgekürzt
stacc., ,abgestoßen4), eine musikalische Vortragsbezeichnung, welche fordert,
daß die Töne nicht direkt aneinander geschlossen, sondern deutlich getrennt
werden sollen, so daß zwischen ihnen wenn auch noch so kurze Pausen entste-
hen“.
189,15 rubato] Vgl. Meyer 1885-1892,13,1019: „Rubato (ital.,,geraubt4, Tempo
r.) nennt man die kleinen Beschleunigungen und Verlangsamungen der Melo-
die unter Beibehaltung desselben Tempos, welche ein ausdrucksvoller Vortrag
fordert“.
189, 24-32 Dies waren meine Gedanken, als ich merkte, wie man plump und
ahnungslos zwei Meister in der Kunst der Prosa mit einander verwechselte, Einen,
dem die Worte zögernd und kalt herabtropfen, wie von der Decke einer feuchten
Höhle — er rechnet auf ihren dumpfen Klang und Wiederklang — und einen Ande-
ren, der seine Sprache wie einen biegsamen Degen handhabt und vom Arme bis
zur Zehe hinab das gefährliche Glück der zitternden überscharfen Klinge fühlt,
welche beissen, zischen, schneiden will.] Die für den Schreibstil des ersten
„Meisters“ bemühte Bildersprache hat ihren Anhalt in einer Erfahrungsrealität,
der N. wohlbekannte Autoren eine zusätzliche Tiefendimension gegeben ha-
ben, indem sie die Höhlen-Konservierung paläolithischer Artefakte beschrie-
ben: „es kommt die in vielen Fällen wichtige Eigenthümlichkeit der Höhlen
hinzu, daß das [...] Wasser, indem es von oben durch ihre Wände dringt und
an denselben verdunstet, seine festen Bestandtheile in Gestalt von Tropf-
steinen ([...]) zurückläßt und so stei-/13/nerne Hüllen über alle Dinge legt,
über die es in der Höhle wegfließt, oder auf die es beim Herabtropfen fällt. So
sind oftmals die Culturreste aus einer älteren vorgeschichtlichen Periode unter
einer Tropfsteindecke begraben worden“ (Ratzel 1874, 12 f., vgl. Vogt 1863, 2,
8f.).
Renzi 1997a, 341 f. identifiziert den ersten der „zwei Meister“ mit Eugen
Dühring, den zweiten mit N. selbst, und zwar unter Verweis auf die Schlusspas-
sage in Paul Heinrich Widemanns Erkennen und Sein: „Und derselbe Grund-
trieb entwickelt die Philosophie zur erzieherischen Weisheit und ,Lebensfüh-
 
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