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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0730
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710 Jenseits von Gut und Böse

ganzen Sein der nationale Stil, der instinctive Stolz, die durchgebildete Eigen-
art, darum waren wir so lange wehrlos gegen fremdes Wesen. Jedoch wir sind
im Begriff uns jene Güter zu erwerben und wir können nur wünschen, daß
unsere Juden die Wandlung, die sich im deutschen Leben als eine nothwendige
Folge der Entstehung des deutschen Staates vollzieht, rechtzeitig erkennen“
(ebd., 575).
193, 31-33 wie das russische Reich seine Eroberungen macht, — als ein Reich,
das Zeit hat und nicht von Gestern ist] Vgl. NK 139, 25-30; NK 139, 30-32 u. NK
140, 2-11.
194, 5-7 mehr eine res facta als nata ist (ja mitunter einer res ficta et picta
zum Verwechseln ähnlich sieht — 9] Die lateinischen Wendungen bedeuten: „res
facta“ = „gemachte Sache“, (res) „nata“ = „geborene“ (Sache), „res ficta et
picta“ = „erfundene und gemalte Sache“.
194, 9 aere perennius] Bei Horaz: Carmina III30, If. heißt es „Exegi monumen-
tum aere perennius / regalique situ pyramidum altius“ („Ich habe ein Denkmal
errichtet, beständiger als Erz / höher als der königliche Sitz der Pyramiden“).
Horaz’ lyrisches Ich meint damit sein dichterisches Werk, das alle Veränderun-
gen überdauere. N. liebte die Kurzform, „beständiger als Erz“, vgl. z. B. NK KSA
6, 154, 21.
194,11-16 Dass die Juden, wenn sie wollten — oder, wenn man sie dazu zwänge,
wie es die Antisemiten zu wollen scheinen —, jetzt schon das Übergewicht, ja
ganz wörtlich die Herrschaft über Europa haben könnten, steht fest; dass sie
nicht darauf hin arbeiten und Pläne machen, ebenfalls.] Damit wird ein Leit-
ideologem des zeitgenössischen politischen Antisemitismus unterlaufen, näm-
lich das einer jüdischen Weltverschwörung, deren Agitatoren darauf sännen,
die Herrschaft an sich zu reißen. Die ironische Replik auf dieses Ideologem
besagt, dass es für die Juden letztlich ein Kinderspiel wäre, diese Herrschaft
an sich zu reißen, sie es aber gar nicht wollten.
194, 20 dem Nomadenleben, dem „ewigen Juden“ ein Ziel zu setzen] Die den
Juden seit der Vertreibung aus dem Heiligen Land in römischer Zeit auferlegte
nomadische Existenz - zum mythologischen Motiv des wegen seiner Verspot-
tung des leidenden Christus zu ewiger Wanderschaft verurteilten „ewigen Ju-
dens“ (Ahasver) siehe NK KSA 6, 17, 4-6 u. NK KSA 6, 17, 6-8 - wird nach
JGB 242 (sowie MA I 475, KSA 2, 309 f.) von den gleichfalls unstet werdenden,
zeitgenössischen Europäern quasi reproduziert, ohne dass dort „ein Ziel“, eine
erneute Anbindung an die Scholle, erkennbar wäre, vgl. NK 182, 15-27.
194, 23-25 wozu es vielleicht nützlich und billig wäre, die antisemitischen
Schreihälse des Landes zu verweisen] N.s Schwager, der umtriebige antisemiti-
 
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