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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 5,1): Kommentar zu Nietzsches "Jenseits von Gut und Böse" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.69929#0734
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714 Jenseits von Gut und Böse

mer als der Deutsche: er hat das Christenthum eben noch nöthiger. Für feine-
re Nüstern hat selbst dieses englische Christenthum noch einen ächt englischen
Nebengeruch von Spleen und alkoholischer Ausschweifung, gegen welche es aus
guten Gründen als Heilmittel gebraucht wird, — das feinere Gift nämlich gegen
das gröbere: eine feinere Vergiftung ist in der That bei plumpen Völkern schon
ein Fortschritt, eine Stufe zur Vergeistigung.] In der Aufzeichnung KGW IX 1, N
VII 1, 126, 30-44 (hier in der ersten, unkorrigieren Fassung) kommt in diesem
Zusammenhang Carlyle erneut ins Spiel: „Der Engländer, düsterer, sinnlicher,
willensstärker und ,gemeiner4 als der Deutsche - folglich frömmer! Er hat das
Christenthum nöthiger. All ihr Christenthum selbst noch in seinem litterari-
schen Nachklange Carlyle, riecht etwas nach [Taktlosigkeit] Spleen und alko-
holischer Ausschweifung: mit gutem Grunde als Gegengift gegen Beides“ (vgl.
KGW IX 4, W I 6, 65, 10-24).
196, 9 f. ehemals unter der Gewalt des Methodismus] Seine Kenntnis der von
den beiden anglikanischen Theologen John (1703-1791) und Charles Wesley
(1707-1788) begründeten, protestantischen Frömmigkeitsbewegung des Metho-
dismus - mit strenger Lebensreglementierung und Erwecklichkeit im prak-
tisch-religiösen Vordergrund - schöpfte N. vornehmlich aus William Edward
Hartpole Leckys Entstehungsgeschichte und Charakteristik des Methodismus
(1880). Das gilt auch für die Schilderung der trostlosen moralisch-religiösen
Zustände in England vor dieser Erneuerung, die für die Ausführungen zur
Christentumsbedürftigkeit der Engländer in JGB 252 Pate gestanden haben
mag.
196.10 f. neuerdings wieder als „Heilsarmee“ moralisch grunzen lernt] Vgl. NK
68, 23-28.
196.11 Busskrampf] Vgl. NK KSA 6, 374, 10-12.
196, 18-21 Man höre ihn sprechen; man sehe die schönsten Engländerinnen
gehn — es giebt in keinem Lande der Erde schönere Tauben und Schwäne, —
endlich: man höre sie singen! Aber ich verlange zu viel ....] In der ersten, noch
nicht überarbeiteten Fassung von KGW IX 4, W I 6, 65, 44 u. 67, 2-16 heißt es:
„Taktlosigkeit in diesem Sinne: - darin sind sich heute Englands beste Schrift-
steller und Parlamentsredner gleich. Der genannte Carlyle zum Beispiel, einer
ihrer Reichsten, wenn vom Reichthum der Seele geredet wird, bewegt sich
doch wie ein Bauer und Tölpel, auch wenn er begeistert und aus voller Brust
redet - um hier die gänzlich musiklosen, öden Blech-Seelen aus dem Spiele zu
lassen wie John Stuart Mill oder Herbert Spencer, welche sich in der That wie
Blechfiguren bewegen. Zuletzt sehe man die schönsten Engländerinnen gehen:
ich will nicht verlangen um nicht zu viel zu verlangen, daß man sie singen
höre.“
 
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