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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 1): Frühschriften 1520 - 1524 — Gütersloh, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.29138#0040
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MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN

der rückhaltlosen Betonung des »sola fide13« und in dem Versuch des
»Neubaus der Sittlichkeit« (K. Holl) auf dem Fundament des Evan-
geliums, im einzelnen gekennzeichnet durch das Ringen um eine
der evangelischen Rechtfertigungslehre entsprechende Bewertung der
Stände. Dabei schließt sich Bucer nicht nur in seiner Kritik an Priester-
tum und Mönchtum und ihren Anspruch auf den »Status perfectionis14«
an Luther an, sondern auch in seiner abwertenden Beurteilung des
Kaufmannsstandes15, und versuchte eine aktuelle Formulierung des

13. In »Das ym selbs ...« klingt das »allein durch den Glauben« wiederholt an
(S. 60, Z. 1 und S. 63, Z. 22); zum sachlichen Problem vgl. Anm. zum Text Nr. 109
und J. Müller, a.a.O., S. 15 ff.
14. Die Ablehnung der Ständelehre der Römischen Kirche, die den geistlichen
Stand und zumal den Mönchsstand auf Grund des Verdienstgedankens über den
weltlichen Stand stellt, war für die reformatorische Bewegung typisch, da sich bei
ihr von der Wiederentdeckung des biblischen Rechtfertigungsgedankens aus ein
neues Verständnis der Sittlichkeit anbahnte. Luther hat seine Gedanken zu dieser
Frage besonders in seinem Sermon »Von den guten Werken« und in der Schrift
»De votis monasticis iudicium« entwickelt, nachdem sie auch sonst schon vorab
in der großen Reformationsschrift »An den christlichen Adel...« stark angeklungen
waren (vgl. K. Holl: Gesammelte Aufsätze I, bes. S. 155 ff.; und G. Wingren:
Luthers Lehre vom Beruf, 1952). - Es lassen sich bei B. im wesentlichen zwei
Linien feststellen, die die überkommene Ständelehre einer Kritik unterwarfen. Die
in »Das ym selbs ...« vorgenommene Würdigung der Stände geht von der Recht-
fertigungslehre aus bzw. von dem als Folge des göttlichen Liebeswillens gesehenen
christlichen Liebesgebot. Indem B. von dem Grundsatz ausgeht, daß der geistliche
Nutzen den Vorrang hat über den leiblichen und der »(all)gemeine über den (be-)
sonderen«, gelangt er zu der Rangfolge geistlicher Stand, weltliche Obrigkeit und
Berufe in der Reihenfolge ihrer Bedeutung für das Wohl der Nächsten. Übrigens
konnte auch Luther in einer besonders prägnanten Formulierung 1524 sagen: »Omnes
Status huc tendunt, ut aliis serviant« (WA XV, S. 625, ähnliche Äußerungen WA
VIII, S. 623 ff., in »De votis monasticis iudicium«). Für B. scheint allerdings die
andere bei Luther gleichfalls unterlaufende, wenn man so will, die ekklesiologische
Linie wichtiger geworden zu sein, die unter dem Gesichtspunkt des allgemeinen
Priestertums den geistlichen Stand ablehnt (vgl. »Dass eine christliche Versammlung
... Recht oder Macht habe, alle Lehre zu urteilen ...«, WA XI, S. 408 ff., ähnlich
schon in »An den christlichen Adel...«, WA VI, S. 407 ff.). B. hat sich den Gedanken
des allgemeinen Priestertums schon in Weißenburg zu eigen gemacht, wie aus dem
Summary (Bibl. Nr. 2) hervorgeht. Bezeichnenderweise ging er dabei von der Frage
nach dem rechten Verstehen der Schrift aus und kam zu dem Ergebnis: »Geistlich
sind ... die den geist Christi haben «, auf Grund dessen ihnen die Fähigkeit, die Schrift
recht zu verstehen, gegeben ist und demzufolge auch die Vollmacht, »alle ding zu
vrteilen vnd zu ordern« (vgl. unten, S. 83, Z. 12ff.). Von hier aus gewinnt B. seinen
Zugang zu einer weit über Luther hinausreichenden Beteiligung des Laienelementes
am Aufbau und an der Gestaltung des Gemeindelebens (vgl. etwa »Von der waren
Seelsorge ...«, Bibl. Nr. 59, oder auch die Ziegenhainer Zuchtordnung, Bibl. Nr. 60)
bis hin zur Aufforderung an die Obrigkeit, die Durchführung der Reformation in
die Hand zu nehmen (vgl. Anm. 16).
15. Die Kritik am Kaufmannsstande war lebendig, noch bevor die Reformatoren sich
zu den Auswüchsen des Zinskaufs äußerten. Strohl verweist in diesem Zusammenhang
 
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