DAS YM SELBS
55
Der nechst noch64 der geistlichen standt ist der standt weltlicher
oberkeit65, welcher ampt, wiewol es mit geistlichem als mit dem gots
wort nit umbgot, sonder stot darin, das in usserlichem gut ordnung
und friden gehalten werd, die frummen beschutzet, die unfrummen von
5 beleydigung der frummen durch straff abgehalten, yedoch so ist ir
dyenst uff die gantz gemeyn gericht, deren wolfart zu schaffen mit
erhaltung gemeynes fridens und rechtens, das dann gar vil mer ist dann
in sonderlichen händeln sonderlichen menschen von der gemeyn zu
dyenst sein. Deßhalb noch dem ampt der geistlichen, das do ist, die
10 gemeyn treülich mit dem gotswort versehen, ist das ampt weltlicher
oberkeit das würdigist. Und erfordert auch leüt, die sich selb gar ver-
leücknen und mitnichten das ir suchen. Dann so eygen gesuch hindert,
das auch in sonderlichen sachen einer gegen seinem nechsten allein nit
redlich und christlich handlen mag, (dann ye on die liebe, welche das
15 ir nit sucht, kein handel christlich oder redlich sein kan) vil mer hindert
einer gantzen gemeyn, in erbarem und christlichem regiment zu dyenen.
Des der heyd Aristoteles66 auch den underscheyd eins rechten Fürsten
vor eim Tyrannen geben hat. das der Fürst allein die wolfart der under-
thon, der Tyrann aber die seine such67. So will Homerus68, das ein
20 Künig kein gantze nacht schlaffe vor sorgen für die underthon69. also
gar kein weyl will er ym lossen gepüren, uff das sein zu trachten.
Wiewol aber weltlicher oberkeit dyenst, die sye der gemeyn schuldig
ist, nit in dem stot, das sye das göttlich wort | und gesatz predigen,
yedoch gebürt yn nach göttlichem gesatz zu regieren und irs vermögen
25 zu uffgang göttlichs worts helffen. Dann so kein gewalt ist on von gott
und der gewalt, der allenthalben ist, ist von gott geordnet, so folget ye
gewißlich, das er nach göttlicher ordnung und willen gebraucht werden
soll, also das ir dyenst endtlich die wolfart deren, über die der gewalt
ist, also schaffe, das dadurch das lob gottes uffgang, und er der [Herr] aller
Ampt weltlicher
regierer.
I. Cor. xiii. [5]
C 1 a
Rom xiii. [ 1]
monasticis iudicium« (WA 8, S. 573 ff.) von 1521 widerlegte Anspruch und Berechti-
gung des Mönchtums. B. selbst, der gebannte und verehelichte Priester, stellte sich
in Straßburg in die Reihe der Laien; er ordnete sich der Obrigkeit (unter Verzicht
auf die Vorrechte des geistlichen Standes) unter und begehrte nur, »mit dem, was
Gott ihm gegeben habe, seinen Nächsten dienen und davon leben zu dürfen« (vgl.
Beilage 4, S. 294).
64. Nach.
65. Vgl. Einleitung, Anm. 16.
66. Politica V, 8, 6.
67. Id ut in compendio dicam, hac nota principem a tyranno distinguit in Politicis
Aristoteles, quod hic suis studet commodis, ille reipublicae (Erasmus, a.a.O., S. f2a;
vgl. die Ausgabe von Strohl, S. 45).
68. Ilias 2,23-25 (= 60-62).
69. Si vere dixit Homerus non esse principis solidam dormire noctem, cui tot
hominum milia, cui tantae negociorum moles commissae sunt ... (Erasmus, a.a.O.,
S. iIb; vgl. die Ausgabe von Strohl, S. 45).
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Der nechst noch64 der geistlichen standt ist der standt weltlicher
oberkeit65, welcher ampt, wiewol es mit geistlichem als mit dem gots
wort nit umbgot, sonder stot darin, das in usserlichem gut ordnung
und friden gehalten werd, die frummen beschutzet, die unfrummen von
5 beleydigung der frummen durch straff abgehalten, yedoch so ist ir
dyenst uff die gantz gemeyn gericht, deren wolfart zu schaffen mit
erhaltung gemeynes fridens und rechtens, das dann gar vil mer ist dann
in sonderlichen händeln sonderlichen menschen von der gemeyn zu
dyenst sein. Deßhalb noch dem ampt der geistlichen, das do ist, die
10 gemeyn treülich mit dem gotswort versehen, ist das ampt weltlicher
oberkeit das würdigist. Und erfordert auch leüt, die sich selb gar ver-
leücknen und mitnichten das ir suchen. Dann so eygen gesuch hindert,
das auch in sonderlichen sachen einer gegen seinem nechsten allein nit
redlich und christlich handlen mag, (dann ye on die liebe, welche das
15 ir nit sucht, kein handel christlich oder redlich sein kan) vil mer hindert
einer gantzen gemeyn, in erbarem und christlichem regiment zu dyenen.
Des der heyd Aristoteles66 auch den underscheyd eins rechten Fürsten
vor eim Tyrannen geben hat. das der Fürst allein die wolfart der under-
thon, der Tyrann aber die seine such67. So will Homerus68, das ein
20 Künig kein gantze nacht schlaffe vor sorgen für die underthon69. also
gar kein weyl will er ym lossen gepüren, uff das sein zu trachten.
Wiewol aber weltlicher oberkeit dyenst, die sye der gemeyn schuldig
ist, nit in dem stot, das sye das göttlich wort | und gesatz predigen,
yedoch gebürt yn nach göttlichem gesatz zu regieren und irs vermögen
25 zu uffgang göttlichs worts helffen. Dann so kein gewalt ist on von gott
und der gewalt, der allenthalben ist, ist von gott geordnet, so folget ye
gewißlich, das er nach göttlicher ordnung und willen gebraucht werden
soll, also das ir dyenst endtlich die wolfart deren, über die der gewalt
ist, also schaffe, das dadurch das lob gottes uffgang, und er der [Herr] aller
Ampt weltlicher
regierer.
I. Cor. xiii. [5]
C 1 a
Rom xiii. [ 1]
monasticis iudicium« (WA 8, S. 573 ff.) von 1521 widerlegte Anspruch und Berechti-
gung des Mönchtums. B. selbst, der gebannte und verehelichte Priester, stellte sich
in Straßburg in die Reihe der Laien; er ordnete sich der Obrigkeit (unter Verzicht
auf die Vorrechte des geistlichen Standes) unter und begehrte nur, »mit dem, was
Gott ihm gegeben habe, seinen Nächsten dienen und davon leben zu dürfen« (vgl.
Beilage 4, S. 294).
64. Nach.
65. Vgl. Einleitung, Anm. 16.
66. Politica V, 8, 6.
67. Id ut in compendio dicam, hac nota principem a tyranno distinguit in Politicis
Aristoteles, quod hic suis studet commodis, ille reipublicae (Erasmus, a.a.O., S. f2a;
vgl. die Ausgabe von Strohl, S. 45).
68. Ilias 2,23-25 (= 60-62).
69. Si vere dixit Homerus non esse principis solidam dormire noctem, cui tot
hominum milia, cui tantae negociorum moles commissae sunt ... (Erasmus, a.a.O.,
S. iIb; vgl. die Ausgabe von Strohl, S. 45).