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MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN
Lucae. ix. [23]
Philip, i. [23]
D 2 b
Joan. iii. [16]
Abac. «• [ 4]
Gal. v. [ 14]
Joan. xiii. [34-33]
sonder das er andern dyente, und sein seel für dich und vile zu erlösung
hyngebe113, hat sich enteüssert der göttlichen gestalt, in der er was, und
hat eins knechts gestalt an sich genumen, ist gehorsam worden biß in
tod und den tod des creützes, was woltestu dann uß dir machen? O das
ich doch ein wenig meinem herren und erlöser möchte nachfolgen, des 5
danckbar sein, der ich doch nichs bin, kan noch vermag. Alles hab ich
durch in auß gnaden des vatters, wie gern will ichs zu dyenst meinen
brüdern darstrecken114, mich sein gar nichs annemen, sonder gehorsam
werden auch biß in tod, ja in tod des creütz. das ist alles leiden und
Schmach. Und also geschicht, das wir uns unser selb verleücknen, 10
unser creütz uff uns nemen und also unserm herren, meister, künig und
heyland nochfolgen und auch gewisßlich kummen werden, wie er von115
solcher demut, dyenst und gehorsame in die ewige herrlicheit, reich und
seligkeit, Amen116.
Zuletzt so manchen an worer liebe und dyenst seinem nechsten zu 15
beweisen, hindert liebe diß gegenwertigen lebens eeren, guts oder lusts,
nimpt solche der wor glaub gäntzlich hynweg. Dann er den ewigen
himmelischen vatter durch Christum im so gnedig und so geneygt zu
allem gutem ynbildet117, das im auch ein verdrusß und beschwärd ist,
mit den zeitlichen dingen beladen sein, sonder hat mer lust abzu- 20
scheyden und bey Christo zu sein, damit, wie er der zeytlichen ding
entledigt, das er also auch frey nunmer der sünden wer und nit mer
ursach hette, sein himmelschen aller liebsten vatter zu erzürnen. | Daruß
folget dann, das er diß zeytlich leben und alles, das es erfordert, mer für
bürde dann für groß gut achtet. Darumb einem worgläubigen ein gering 25
sach ist, für seine brüder sein leben zu lassen, ich schweig eer und gut
oder lust. Wie dann Christus'! uß seiner grundtlosen liebe zu uns auch
sein leben für uns gelassen hat.
Uß disem allem, wiewol uffs kürtzest anzeygt, mag doch wol ver-
nummen werden, sollen wir widerbrocht werden in unser erst recht und 30
göttlich wesen, darin wir geschaffen woren, gott zu lob, allen creaturen
nutzlich und dyenstlich zu sein, und unsern nutz mitnichten zu suchen,
den dann unser schöpfer und vatter, gott der allmechtig, genug schüff,
das solchs der glaub müsß thun, die wore gerechtigkeit, in der der
gerecht gegen gott, den menschen und allen creaturen1 wol lebet. Gott 35
gibt er sein eer und lob, gegen dem nechsten ist er durch liebe, die alle
gebott erfüllet, thätig. Damit wir uns jünger Christi erzeigen, haltend
q) Cheistus. - r) creatuten.
113. Vgl. Mt 20,28. 114. Darreichen. 115. Auf Grund.
116. Strohl vermutet, daß möglicherweise dieser ganze Abschnitt durch Luthers
»Von der Freiheit eines Christenmenschen«, § 26, inspiriert ist.
117. Stellt vor Augen.
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MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN
Lucae. ix. [23]
Philip, i. [23]
D 2 b
Joan. iii. [16]
Abac. «• [ 4]
Gal. v. [ 14]
Joan. xiii. [34-33]
sonder das er andern dyente, und sein seel für dich und vile zu erlösung
hyngebe113, hat sich enteüssert der göttlichen gestalt, in der er was, und
hat eins knechts gestalt an sich genumen, ist gehorsam worden biß in
tod und den tod des creützes, was woltestu dann uß dir machen? O das
ich doch ein wenig meinem herren und erlöser möchte nachfolgen, des 5
danckbar sein, der ich doch nichs bin, kan noch vermag. Alles hab ich
durch in auß gnaden des vatters, wie gern will ichs zu dyenst meinen
brüdern darstrecken114, mich sein gar nichs annemen, sonder gehorsam
werden auch biß in tod, ja in tod des creütz. das ist alles leiden und
Schmach. Und also geschicht, das wir uns unser selb verleücknen, 10
unser creütz uff uns nemen und also unserm herren, meister, künig und
heyland nochfolgen und auch gewisßlich kummen werden, wie er von115
solcher demut, dyenst und gehorsame in die ewige herrlicheit, reich und
seligkeit, Amen116.
Zuletzt so manchen an worer liebe und dyenst seinem nechsten zu 15
beweisen, hindert liebe diß gegenwertigen lebens eeren, guts oder lusts,
nimpt solche der wor glaub gäntzlich hynweg. Dann er den ewigen
himmelischen vatter durch Christum im so gnedig und so geneygt zu
allem gutem ynbildet117, das im auch ein verdrusß und beschwärd ist,
mit den zeitlichen dingen beladen sein, sonder hat mer lust abzu- 20
scheyden und bey Christo zu sein, damit, wie er der zeytlichen ding
entledigt, das er also auch frey nunmer der sünden wer und nit mer
ursach hette, sein himmelschen aller liebsten vatter zu erzürnen. | Daruß
folget dann, das er diß zeytlich leben und alles, das es erfordert, mer für
bürde dann für groß gut achtet. Darumb einem worgläubigen ein gering 25
sach ist, für seine brüder sein leben zu lassen, ich schweig eer und gut
oder lust. Wie dann Christus'! uß seiner grundtlosen liebe zu uns auch
sein leben für uns gelassen hat.
Uß disem allem, wiewol uffs kürtzest anzeygt, mag doch wol ver-
nummen werden, sollen wir widerbrocht werden in unser erst recht und 30
göttlich wesen, darin wir geschaffen woren, gott zu lob, allen creaturen
nutzlich und dyenstlich zu sein, und unsern nutz mitnichten zu suchen,
den dann unser schöpfer und vatter, gott der allmechtig, genug schüff,
das solchs der glaub müsß thun, die wore gerechtigkeit, in der der
gerecht gegen gott, den menschen und allen creaturen1 wol lebet. Gott 35
gibt er sein eer und lob, gegen dem nechsten ist er durch liebe, die alle
gebott erfüllet, thätig. Damit wir uns jünger Christi erzeigen, haltend
q) Cheistus. - r) creatuten.
113. Vgl. Mt 20,28. 114. Darreichen. 115. Auf Grund.
116. Strohl vermutet, daß möglicherweise dieser ganze Abschnitt durch Luthers
»Von der Freiheit eines Christenmenschen«, § 26, inspiriert ist.
117. Stellt vor Augen.
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