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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 1): Frühschriften 1520 - 1524 — Gütersloh, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.29138#0076
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MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN

Evangelium aus. Während der Fastenzeiten predigte er an Werktagen
einmal, an Festtagen zweimal. Bevor er die Auslegung des Matthäus-
Evangeliums beendet hatte, mußte er Weißenburg verlassen7.
Bucers Verkündigung blieb nicht unfruchtbar. Er war sicher, daß über
die Hälfte der Weißenburger alle Gefahren um des Evangeliums willen
auf sich genommen hätten. Selbst die Frauen lasen in der Bibel und
begannen mit den Mönchen zu disputieren8 *. Doch hatte er innerhalb
seiner Gemeinde gegen Mißverständnisse zu kämpfen. Bucers Predigten
gegen die Käuflichkeit der Messen lösten Unruhen aus. Gerade in
Weißenburg, das lange Zeit unter der Oberherrschaft der Benediktiner-
Abtei gestanden hatte und finanziell besonders ausgesogen wurde, war
man nur zu gerne bereit, dieses Stück der Bucerschen Predigt anzu-
nehmen. Ein Teil der Gemeinde wollte mit Gewalt das zurückholen,
was die Väter den Klöstern und der Geistlichkeit gestiftet hatten, ohne
auf den zweiten Teil der Verkündigung Bucers zu hören, daß ein Christ
Unrecht nicht mit Unrecht vergelten dürfe. Die sozialen Unruhen des
beginnenden 16. Jahrhunderts und Gedanken des Huttenschen Pfaffen-
krieges wirkten hier zusammen^. Auch der Rat der Stadt enttäuschte
Bucer. Als die Stunde der Entscheidung kam, stand der Rat nicht zum
Evangelium, sondern bat Bucer und Motherer, die Stadt zu verlassen.
Im ganzen gesehen aber hatte die Verkündigung Bucers den festen
Grund gelegt, auf dem dann Motherer Ende 1523 weiterbauen konnte10.
Größere Sorgen bereiteten jedoch die Widerstände des zuständigen
kirchlichen Oberen, des Bischofs zu Speyer, und der Barfüßer in
Weißenburg.
Motherer hatte als Pfarrer das Recht, sich einen »Helfer « zu wählen,
doch stand dem Bischof eine Examination zu. Der Generalvikar ließ
Bucer zu diesem Zweck nach Speyer vorladen. Bucer bat im Hinblick
auf die Kriegslage, die eine Reise zu unsicher mache, um die Entsendung
bischöflicher Beauftragter auf Kosten Motherers nach Weißenburg. Der
Generalvikar ging auf diesen Plan nicht ein, sondern erließ durch den
Offizial gegen Bucer und Motherer eine Zitation, die jedoch, wie Bucer
behauptet, ihm nicht förmlich zugestellt sei, sondern von der er nur
durch Dritte gehört habe. Als Bucer der Zitation nicht folgte, wurde er
zusammen mit Motherer wegen Contumacia, Widerspenstigkeit gegen
die Zitation, exkommuniziert. Der Exkommunikation folgte automatisch
die Aggravation und die Reaggravation. Bucer und Motherer appellier-
ten sofort an den Erzbischof von Mainz. Inzwischen forderte der Speyrer
Bischof den Rat von Weißenburg auf, die beiden exkommunizierten
7. CR Zw 8, 80, 17fr. 8. Ebd., 80.
9. Schelborn: Unschuldige Nachrichten, Bd. 26. S. 18.
10. Vgl. Adam: Territorien, S. 385.
 
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