MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN
31O
Das D. Luthers vnd seiner nachfolger lehre, wie die inn iren
buchern verfasset ist, in den Hauptarticulen vnd puncten christlich
vnd gerecht ist. Vnnd nit ein newe, sonder die alte vnd ewige
lehre ist vnd bleiben wird.
Nach fleissiger besichtigung vnd examinierung der lere vnd bücher
M. Luthers vnd aller1, so ietz etwas namens in teutschen landen haben,
als sye die selbige new genante ler in schrifften vnd predigen treiben
solten, findet sichs, das sy alle, Luther vnd die gleicher leer anhengig
sein vnd sy treiben, furnemlich vnd zum höchsten doruff tringen, das
die gotlich schrifft, so man die bibel heist, solle allen andern schrifften,
satzungen vnd gewohnheyten so weyt furzogen werden vnd höher ge-
halten, so weyt got den menschen furzuziehen ist vnd höher zu halten2.
Dan allen gleubigen gewiss ist, das die bibel ein gedicht3 vnd schrifft
gottes ist, alle andere satzung aber, ler vnd gewohnheyten do neben
von menschen vffgericht. Daruss dan alss bald volget, das alle ler,
satzung oder gewohnheyten, so der biblischen gotlichen schrifften
vngemess oder widrig erfunden werden, sy syen her kumen, von wem
sy wellen, gehalten wie lang sy wellen, gelobt von wie filen, grossen,
gelerten, heiligen sy wellen, das solche gentzlich noch der gotlichen
schrifft zu lencken, bessern oder auch gar abzuthun syen by allen denen,
die got ob allen dingen lieben vnd forchten vnd nit die menschen für
got setzen.
Nun, noch aller fleissigster erwegung vnd ernstlichster examinierung
dises articels, | der diser gegenwurtigen zweyung gröste vrsach ist vnd
dis gantzen handels haupt articel, findet sichs, das diser articel vnd
hauptstuck der gantzen newgenanten leer von keinem christen mag
verneint werden, ich schweig verworffen oder verdampt. Des werden
vnder filen anderen dise vrsachen gegeben, wie wol von im selber diser
articel by allen, so got kennen, vberflüssig4 hell vnd offenbar ist, haben
in auch gesetzet alle heilige vetter, concilien vnd des papst eltere decret.
Zum ersten ists kuntlich, das die bibel, alss die v bucher Mosche3,
1. B. wird neben den Straßburger Predigern an Melanchthon, Karlstadt und
Zwingli denken. Vgl. B.s »De coena Dominica« (Bibl. Nr. 4) A4a: Murner hat
weder die Heilige Schrift noch »tot ... Lutheri atque aliorum Evangelicae veritatis
professorum lucubrationes « verstanden.
2. Zu Luther vgl. H. Preuß: Die Entwicklung des Schriftprinzips bei Luther bis
zur Leipziger Disputation. Leipzig 1901. S. 27ff. Karlstadt veröffentlicht 1520 »De
canonicis scripturis libellus« (ed. K. A. Credner: Zur Geschichte des Kanons. 1847.
S. 316-412); Zwingli verfaßte 1522 »Von Klarheit und Gewißheit des Wortes Gottes«
(CR Zw 1, 338-384).
3. Schriftwerk. 4. Im Übermaß.
5. B. verwendet wie in seinen späteren Kommentaren die hebräische Form des
Namens. Vgl. Lang, S. 20.
31O
Das D. Luthers vnd seiner nachfolger lehre, wie die inn iren
buchern verfasset ist, in den Hauptarticulen vnd puncten christlich
vnd gerecht ist. Vnnd nit ein newe, sonder die alte vnd ewige
lehre ist vnd bleiben wird.
Nach fleissiger besichtigung vnd examinierung der lere vnd bücher
M. Luthers vnd aller1, so ietz etwas namens in teutschen landen haben,
als sye die selbige new genante ler in schrifften vnd predigen treiben
solten, findet sichs, das sy alle, Luther vnd die gleicher leer anhengig
sein vnd sy treiben, furnemlich vnd zum höchsten doruff tringen, das
die gotlich schrifft, so man die bibel heist, solle allen andern schrifften,
satzungen vnd gewohnheyten so weyt furzogen werden vnd höher ge-
halten, so weyt got den menschen furzuziehen ist vnd höher zu halten2.
Dan allen gleubigen gewiss ist, das die bibel ein gedicht3 vnd schrifft
gottes ist, alle andere satzung aber, ler vnd gewohnheyten do neben
von menschen vffgericht. Daruss dan alss bald volget, das alle ler,
satzung oder gewohnheyten, so der biblischen gotlichen schrifften
vngemess oder widrig erfunden werden, sy syen her kumen, von wem
sy wellen, gehalten wie lang sy wellen, gelobt von wie filen, grossen,
gelerten, heiligen sy wellen, das solche gentzlich noch der gotlichen
schrifft zu lencken, bessern oder auch gar abzuthun syen by allen denen,
die got ob allen dingen lieben vnd forchten vnd nit die menschen für
got setzen.
Nun, noch aller fleissigster erwegung vnd ernstlichster examinierung
dises articels, | der diser gegenwurtigen zweyung gröste vrsach ist vnd
dis gantzen handels haupt articel, findet sichs, das diser articel vnd
hauptstuck der gantzen newgenanten leer von keinem christen mag
verneint werden, ich schweig verworffen oder verdampt. Des werden
vnder filen anderen dise vrsachen gegeben, wie wol von im selber diser
articel by allen, so got kennen, vberflüssig4 hell vnd offenbar ist, haben
in auch gesetzet alle heilige vetter, concilien vnd des papst eltere decret.
Zum ersten ists kuntlich, das die bibel, alss die v bucher Mosche3,
1. B. wird neben den Straßburger Predigern an Melanchthon, Karlstadt und
Zwingli denken. Vgl. B.s »De coena Dominica« (Bibl. Nr. 4) A4a: Murner hat
weder die Heilige Schrift noch »tot ... Lutheri atque aliorum Evangelicae veritatis
professorum lucubrationes « verstanden.
2. Zu Luther vgl. H. Preuß: Die Entwicklung des Schriftprinzips bei Luther bis
zur Leipziger Disputation. Leipzig 1901. S. 27ff. Karlstadt veröffentlicht 1520 »De
canonicis scripturis libellus« (ed. K. A. Credner: Zur Geschichte des Kanons. 1847.
S. 316-412); Zwingli verfaßte 1522 »Von Klarheit und Gewißheit des Wortes Gottes«
(CR Zw 1, 338-384).
3. Schriftwerk. 4. Im Übermaß.
5. B. verwendet wie in seinen späteren Kommentaren die hebräische Form des
Namens. Vgl. Lang, S. 20.