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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 1): Frühschriften 1520 - 1524 — Gütersloh, 1960

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https://doi.org/10.11588/diglit.29138#0396
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MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN

392

DIE VERFASSERFRAGE DES NEUKARSTHANS
Die Frage, wer der anonyme Verfasser des Neukarsthans sein könne,
ist oft gestellt worden und hat viele Antworten gefunden. 1855 erhielt
die Erforschung der frühreformatorischen Flugschriftenliteratur durch
die Veröffentlichung umfangreichen Quellenmaterials in den »Satiren
und Pasquille aus der Reformationszeit«, von Oskar Schade heraus-
gegeben, wertvolle Impulse. Im zweiten Band seiner Quellensammlung
bringt Schade den Neukarsthans und äußert sich in den Anmerkungen
zur Verfasserfrage. Bei der Beantwortung dieser Frage geht er aus von
der Datierung. Der Dialog ist nach Schade »im Juni oder Juli des
Jahres 1521 entstanden48«.
Sprache und Inhalt weisen den Dialog in die Nähe Franz von Sickin-
gens, genauer auf die Ebernburg, wo er vermutlich geschrieben und
gedruckt wurde. Die Verfasserschaft Huttens wird abgewiesen, Schade
vermißt das stürmische Wesen des Ritters, er weist darauf hin, daß der
Wortvorrat sich von Huttens deutschen Schriften unterscheidet, außer-
dem will ihm die Anonymität nicht zu Huttens Charakter passen.
Aus der latinisierten Sprache schließt Schade auf einen Gelehrten,
jedoch nicht unbedingt auf einen Theologen. »Jedes Falls war der Ver-
fasser unserer Schrift aber ein intimer Freund Sickingens aus dessen
aller nächster Umgebung49.« Wer ist nun der gelehrte Freund Sickingens ?
Schade nennt keinen Namen.
Böcking, der den Neukarsthans in seiner kritischen Ausgabe der
Werke Ulrich von Huttens 1860 unter die Dialogi Pseudohuttenici ein-
reiht, weist die Verfasserschaft Huttens ab: Clericus fuit, non Huttenus,
qui Novum Karsthansium conposuit, sed clericus qui cum Hutteno
Ebernburgum inhabitaverat, und die vier Theologen, die für ihn in
Betracht kommen, sind: Oecolampad, Bucer, Aquila und Schwebel.
Wegen der angehängten 30 Artikel legt er die Flugschrift in das
Jahr 1523 als Vorläuferin des Bauernkrieges, und Oecolampad wird
als Verfasser vermutet50.
Ihm folgt Strauß, der auf die enge Verknüpfung der Gedankenwelt
des Dialogs mit den Anschauungen Huttens hinweist, aber den »fein-
gebildeten Oekolampadius als Verfasser« vermutet51. Da Oekolampad
erst im März 1522 auf der Ebernburg erschien, um sofort von Franz
von Sickingen zum Schloßkaplan bestellt zu werden52, kommt er als
Verfasser nur bei einer Datierung der Flugschrift nach 1521 in Frage.
48. Vgl. Schade: Satiren und Pasquille III, S. 286f.
49. Vgl. Schade, a.a.O., S. 288.
50. Vgl. Böcking IV, 650.
51. Vgl. D. F. Strauß: Ulrich von Hutten. 1871. S. 465.
52. Vgl. E. Staehelin: Das theologische Lebenswerk Oekolampads. 1939. S. 159.
 
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