412
MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN
Eygennutz suchen.
Paulus hat mit henden
gewirckt.
656 Sant Peters reychtumb.
B2a
Bischoff und priester ampt.
Christum und nit sich
selbs predigen.
darvor [1-2]. Ich bin ein waren weinstock, und mein vatter ist der bauman30.
Ein yede reb, die in mir nit frucht bringt, würt er abbrechn. Hörst du nun, das
die pfaffen schuldig seind, nach gewinn menschlicher Seligkeit und nit
zeytlichs reychtumbs zu steen?
K. Ja, ich hör es wol, aber es ist in yetzundt nit also gelegen, seind 5
anders gesitt und fragten nit vil darnach, ob wir schon all verlorn
wären und sie nur gut und wollust hetten.
F. Das sey got geclagt, das die Christlich lieb so gar bey inen ver-
loschen ist. Paulus thet nit dergeleychn, sunder do er die Philipenser
underweyset31, heißt er sie, ein yeden nit uff das sein, sunder andern zu 10
gutt fleiß haben. Und do er Timotheum lobt, schreybt er ettliche ander
sprechend [Phil 2,21]: Sie suchen all iren nutz und nit Jesu Christi. Und
ermanet die von Thessalonica [1 Thess 2,9], wie er tag und nacht mit
seinen henden arbeitend das Ewangelium gepredigt hab, uff das ir in mir
mitnichten beschwärlich wären. Do er auch von den Ephesiern schied und sie 15
gesegnet, sprach er, als Lucas schrybt1 [Act 20, 33-34]: Ich hab eüwer
keins sylber noch gold noch wat ye begert,ja mer seind dise hend, meiner und der-
jhenen, die mit mir gewesen, notturft steür kommen. Wie aber Petrus ? do
der arm krüppel vor dem tempel das almusen von im batt, | sprach er:
Sylber und gold hab ich nit, das ich aber hab, gib ich dir, in dem namen Jesu 20
christi Nazareni stee uff und wandel [Act 3,6].
K. Von sol| lichen aposteln halt ich etwas, die sindj warlich recht
gewesen, und glaub auch, dieweyl unser geistlichen sich der weltlichen
ding nit entschlagen (wie dann die gethon) und mer nach dem geist
dann in leyplichem lust leben, mög der heilig geist nit durch sie würcken, 25
dann ich sich sie auch kein lamen noch blinden gesund machen oder
andere mirackel thun.
F. Ist nit wunder, dann als Salomon spricht, würt der heilig geist nit
in ein bößwillige seel yngeen32. Eins bischoffs und priesters ampt ist,
dem christlichen volck vorzusteen, und desselbigen nutz suchen. Dann 30
Ambrosius33 spricht: »Des priesters ampt ist keinem schädlich, sunder
einem yeden nütz sein wöllen.« So spricht Pau. in der zweitenk epistel
zu den Corin. am iiii. ca. [5]: Wir predigen nit uns selbs, sunder unsern
herren Jesurn christum. Mögen das auch unsere bischoff und pfaffen
yetzundt sagen ? 35
K. Nein fürwar, dann sie predigen in selbs zu gut, als von dem bapst,
von dem ablaß, von iren örden und wie man sie in eren halten sol, vil
kirchen bauwen und die reychlich begaben sol, das man in auch schuldig
i) schreybt B. - j) seind B. - k) ersten AB.
30. Bauer, Winzer. 31. Vgl. Phil 2,4.
33. De officiis ministrorum; MSL 16,171.
32. Sap 1, 4.
MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN
Eygennutz suchen.
Paulus hat mit henden
gewirckt.
656 Sant Peters reychtumb.
B2a
Bischoff und priester ampt.
Christum und nit sich
selbs predigen.
darvor [1-2]. Ich bin ein waren weinstock, und mein vatter ist der bauman30.
Ein yede reb, die in mir nit frucht bringt, würt er abbrechn. Hörst du nun, das
die pfaffen schuldig seind, nach gewinn menschlicher Seligkeit und nit
zeytlichs reychtumbs zu steen?
K. Ja, ich hör es wol, aber es ist in yetzundt nit also gelegen, seind 5
anders gesitt und fragten nit vil darnach, ob wir schon all verlorn
wären und sie nur gut und wollust hetten.
F. Das sey got geclagt, das die Christlich lieb so gar bey inen ver-
loschen ist. Paulus thet nit dergeleychn, sunder do er die Philipenser
underweyset31, heißt er sie, ein yeden nit uff das sein, sunder andern zu 10
gutt fleiß haben. Und do er Timotheum lobt, schreybt er ettliche ander
sprechend [Phil 2,21]: Sie suchen all iren nutz und nit Jesu Christi. Und
ermanet die von Thessalonica [1 Thess 2,9], wie er tag und nacht mit
seinen henden arbeitend das Ewangelium gepredigt hab, uff das ir in mir
mitnichten beschwärlich wären. Do er auch von den Ephesiern schied und sie 15
gesegnet, sprach er, als Lucas schrybt1 [Act 20, 33-34]: Ich hab eüwer
keins sylber noch gold noch wat ye begert,ja mer seind dise hend, meiner und der-
jhenen, die mit mir gewesen, notturft steür kommen. Wie aber Petrus ? do
der arm krüppel vor dem tempel das almusen von im batt, | sprach er:
Sylber und gold hab ich nit, das ich aber hab, gib ich dir, in dem namen Jesu 20
christi Nazareni stee uff und wandel [Act 3,6].
K. Von sol| lichen aposteln halt ich etwas, die sindj warlich recht
gewesen, und glaub auch, dieweyl unser geistlichen sich der weltlichen
ding nit entschlagen (wie dann die gethon) und mer nach dem geist
dann in leyplichem lust leben, mög der heilig geist nit durch sie würcken, 25
dann ich sich sie auch kein lamen noch blinden gesund machen oder
andere mirackel thun.
F. Ist nit wunder, dann als Salomon spricht, würt der heilig geist nit
in ein bößwillige seel yngeen32. Eins bischoffs und priesters ampt ist,
dem christlichen volck vorzusteen, und desselbigen nutz suchen. Dann 30
Ambrosius33 spricht: »Des priesters ampt ist keinem schädlich, sunder
einem yeden nütz sein wöllen.« So spricht Pau. in der zweitenk epistel
zu den Corin. am iiii. ca. [5]: Wir predigen nit uns selbs, sunder unsern
herren Jesurn christum. Mögen das auch unsere bischoff und pfaffen
yetzundt sagen ? 35
K. Nein fürwar, dann sie predigen in selbs zu gut, als von dem bapst,
von dem ablaß, von iren örden und wie man sie in eren halten sol, vil
kirchen bauwen und die reychlich begaben sol, das man in auch schuldig
i) schreybt B. - j) seind B. - k) ersten AB.
30. Bauer, Winzer. 31. Vgl. Phil 2,4.
33. De officiis ministrorum; MSL 16,171.
32. Sap 1, 4.