B3a
war geistlicheit.
Die jetzigen geistlichen.
Geistlich und weltlich sein.
wie sant Paulus gelebt.
B3b
Andern zu nutz und gut
leben.
414 MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN
etwan von den eltern, wann sie ire kinder geistlich zu werden über-
reden40: lieber sun, du solt ein pfaff werden, so würst du ein grosser herr
und magst ein | gut leben haben, kanst allen deinen freünden nütz sein.
Wann du uß der kirchen gast, so ist dein tisch gedeckt und man muß
dir wein und brot ins hauß bringen, issest gesottens und gebratens, 5
darffst nit wie andere deine freünd im regen, schnee, kelt und hitz
leyden und wanderen, noch für narung oder ichtes41 sorgen, sunder
magst wol essen und trincken, in gwar42 leben.
Fr. Du hast recht gehört, es würt dergleychen allenthalben geredt
und leider am meisten bey uns vom adel. Und dises ist der grund, daruff 10
wir unsere geistlicheit bauwen, darumb mag sie auch nit beständig sein,
sunder muß brechen und zergeen. Dann war, lautere und unbefleckte
geistlicheit (wie sant Jacob in seiner epistel [1,27] schreybt) ist, witwen
und waisen in iren anfechtungen mit hilff und rhat besuchen und ver-
sorgen, sich selbs unbefleckt von der welt halten. Aber yetzund seind, 15
die sich geistlich nennen, mer dann all andere weltlich, und sind die
ding, die nit mögen bey einander steen, wider ir natur vermischt.
Darwider Paulus hart und vest geweßt, fragt also: Was kan für ein
geselschafft sein zwüschen dem liecht und der fynsternüß ? was mag für einträch-
tigkeit sein zwüschen Christo und Belial [2 Cor 6, 14-15] ? Als solt er ant- 20
wurten: gar keine. Darumb schreybt er zu den Rhömern [12, 1-2]:
Brüder, ich verman eüch durch die barmhertzigkeit gottes, gebt gott eüwere leyb
und gemüter einem lebendigen, heiligen und angenemen opffer. Und nit nach-
bildent eüch diser welt, sunder durch erneüwerung eüwerer gemüter verwandlent
eüch, das ir mögt erfaren den angenemen und volkommen gotteswillen. Diß ist 25
Paulus rhat gewesen. Und darumb hat er allem weltlichen wollust,
zeytlichen gütern und begir des fleisches abgesagt, sich aber doch nitt,
wie | yetzund etliche münch thun, von der welt verborgen und nyemant
zu gut gelebt, sunder dem arbeitsamen gottesdienst ergeben und sich
das zu thun schuldig erkennt, als er dann schreybt zu den Corinthiern 30
[1 Cor 9,16]: Wee mir, wo ich nit predigen würde. Und diß ist, daruff er
allen sinn und mutt gesetzt, allen eygen nutz und gewinn übergeben
hat. Das schreybt er auch den Corinthiern [1 Cor 10,24] zu, sie heissend
dergleychen thun: Brüder, eüwer keiner such seinen eygen, sunder eins andern
nutz Und widerumb, do er sie zu christlicher lieb reitzt, spricht er: Die 35
lieb sucht nit iren gewinn [1 Cor 13,5], und ermanet sie, das er in das
Ewangelium umbsunst geprediget hab43. Schreybt auch zu in: Do ich
bey eüch was und armut leid, wolt ich eüch dannocht nit beschwärlich sein [2 Cor 11,9].
40. Vgl. Luther, WA 6, 441 (An den christlichen Adel).
41. Irgendetwas.
42. Sicherheit, Sorglosigkeit.
43. Vgl. 2 Cor 11,7.
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war geistlicheit.
Die jetzigen geistlichen.
Geistlich und weltlich sein.
wie sant Paulus gelebt.
B3b
Andern zu nutz und gut
leben.
414 MARTIN BUCERS FRÜHSCHRIFTEN
etwan von den eltern, wann sie ire kinder geistlich zu werden über-
reden40: lieber sun, du solt ein pfaff werden, so würst du ein grosser herr
und magst ein | gut leben haben, kanst allen deinen freünden nütz sein.
Wann du uß der kirchen gast, so ist dein tisch gedeckt und man muß
dir wein und brot ins hauß bringen, issest gesottens und gebratens, 5
darffst nit wie andere deine freünd im regen, schnee, kelt und hitz
leyden und wanderen, noch für narung oder ichtes41 sorgen, sunder
magst wol essen und trincken, in gwar42 leben.
Fr. Du hast recht gehört, es würt dergleychen allenthalben geredt
und leider am meisten bey uns vom adel. Und dises ist der grund, daruff 10
wir unsere geistlicheit bauwen, darumb mag sie auch nit beständig sein,
sunder muß brechen und zergeen. Dann war, lautere und unbefleckte
geistlicheit (wie sant Jacob in seiner epistel [1,27] schreybt) ist, witwen
und waisen in iren anfechtungen mit hilff und rhat besuchen und ver-
sorgen, sich selbs unbefleckt von der welt halten. Aber yetzund seind, 15
die sich geistlich nennen, mer dann all andere weltlich, und sind die
ding, die nit mögen bey einander steen, wider ir natur vermischt.
Darwider Paulus hart und vest geweßt, fragt also: Was kan für ein
geselschafft sein zwüschen dem liecht und der fynsternüß ? was mag für einträch-
tigkeit sein zwüschen Christo und Belial [2 Cor 6, 14-15] ? Als solt er ant- 20
wurten: gar keine. Darumb schreybt er zu den Rhömern [12, 1-2]:
Brüder, ich verman eüch durch die barmhertzigkeit gottes, gebt gott eüwere leyb
und gemüter einem lebendigen, heiligen und angenemen opffer. Und nit nach-
bildent eüch diser welt, sunder durch erneüwerung eüwerer gemüter verwandlent
eüch, das ir mögt erfaren den angenemen und volkommen gotteswillen. Diß ist 25
Paulus rhat gewesen. Und darumb hat er allem weltlichen wollust,
zeytlichen gütern und begir des fleisches abgesagt, sich aber doch nitt,
wie | yetzund etliche münch thun, von der welt verborgen und nyemant
zu gut gelebt, sunder dem arbeitsamen gottesdienst ergeben und sich
das zu thun schuldig erkennt, als er dann schreybt zu den Corinthiern 30
[1 Cor 9,16]: Wee mir, wo ich nit predigen würde. Und diß ist, daruff er
allen sinn und mutt gesetzt, allen eygen nutz und gewinn übergeben
hat. Das schreybt er auch den Corinthiern [1 Cor 10,24] zu, sie heissend
dergleychen thun: Brüder, eüwer keiner such seinen eygen, sunder eins andern
nutz Und widerumb, do er sie zu christlicher lieb reitzt, spricht er: Die 35
lieb sucht nit iren gewinn [1 Cor 13,5], und ermanet sie, das er in das
Ewangelium umbsunst geprediget hab43. Schreybt auch zu in: Do ich
bey eüch was und armut leid, wolt ich eüch dannocht nit beschwärlich sein [2 Cor 11,9].
40. Vgl. Luther, WA 6, 441 (An den christlichen Adel).
41. Irgendetwas.
42. Sicherheit, Sorglosigkeit.
43. Vgl. 2 Cor 11,7.
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