GESPRECHBIECHLIN NEÜW KARSTHANS
421
und sorget nit für die schaff. Ich bin der gut hirt und erkenn meine schaff und
würd auch von in erkennt [Jo 10,9-14]. Also ist Christus ein hirt gewesen,
und also hat er sich den nachkommenden hirten zu eim beyspil ge-
macht. Nit als yetzundt die Bischoff und prelaten in irem gebräng leben
5 und all ding uff gewinn, reychtumb und wollust setzen, darumb sie
auch des geistlichen stands begeren, sunst wölten sie des zu nichtes.
Und sollichq seind die dieb und rauber, die nit zu der thür hinyngeen,
das ist durch Christum, sunder umb zeytlichs reychtumbs und eer willen
werden sie pfaffen. Und wann sie dann also in schaffstall kommen,
10 dencken sie gar nit an Christus bevelch, das sie vom reych der hymel
predigen, die krancken heilen, die todten ufferwecken etc., geben auch
nit die gnad gottes wider umbsunst, wie sie die empfangen69, sunder
hier gegen reyssen und würgen sie die armen schaff, wie man dann
sicht, mit gelt abforderen, schinden, schätzen70, bannen und achten, das
15 in doch nit zugehört, dann seliger ist (als Paulus sagt) gebn dann nemen
[Act 20,35]. Und er schreybt zu den | Corinthiern [2 Cor 10,8], sein
gewalt sey im gegeben zu einer uffbauwung, nit zu einer zerbrechung.
Und als er in sein zukunfft verkündet, schreybt er also: Ich bin bereit,
zum dritten mal eüch zu kommen, und wil eüch nit beschwärlich sein, dann
20 ich beger nit eüwers guttes, sunder eüwer selen [2 Cor 12,14]. Also haben die
priester ge | walt über uns und nit mit irem bann zu schrecken und zu
nötigen71, sunder wie Paulus pflag72, wann wir irren, in sänfftmüttig-
keit und sittlicher weyß zu bitten und vermanen. Dann als sant Johannes
Chrysostomus sagt73, ist Christus kommen, das er die sterblichen men-
25 schen mit miltigkeit selig macht und nit mit schrecken darniderwürffe.
Und derhalben ist auch desselbigen lerers meynung, gott tröwe uns uff
das ewig feür, nit das er das über uns füren wöl, sunder uns zu über-
reden, das wir uns darvor hüten und es fliehen. So weißt man wol, wie
die alten bischoff iren gewalt gebraucht haben, anders nit, dann wie
30 Cyprianus schreybt zu einem bischoff74, den einer von seinen priestern
übergeben und uff das höchst geschmächt het, dise wort: »würt er dich
fürter mer mit seinen schmächworten erbittern und reitzen, so gebrauch
dich gegen im des gewalts deiner eren, das du in antweders entsetzest
oder aber dich seiner gemeynschafft entschlagest.« Und sollichs ist die
Die nit durch Christum
in den schaffstall geen.
663
Der Aposteln und priester
gewalt.
C4a
Christlich senfftmiettigkeit
Der alten bischof gewalt
zu straffen.
q) sollichs B.
69. Vgl. Mt 10, 6-9. 70. Das Geldabnehmen.
71. Zur Kritik am Bann vgl. A.. Störmann: Die städtischen Gravamina gegen den
Klerus am Ausgange des Mittelalters und in der Reformationszeit. RGST 24-26,
1916, S. 223-225.
72. Starkes Präteritum (mhd. pflige, pflag, gepflegen); jetzt abgeschwächt: pflegte.
73. Vgl. MSG 47,281/82.
74. Ad Rogationum ep. LXV; MSL 4, 409.
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und sorget nit für die schaff. Ich bin der gut hirt und erkenn meine schaff und
würd auch von in erkennt [Jo 10,9-14]. Also ist Christus ein hirt gewesen,
und also hat er sich den nachkommenden hirten zu eim beyspil ge-
macht. Nit als yetzundt die Bischoff und prelaten in irem gebräng leben
5 und all ding uff gewinn, reychtumb und wollust setzen, darumb sie
auch des geistlichen stands begeren, sunst wölten sie des zu nichtes.
Und sollichq seind die dieb und rauber, die nit zu der thür hinyngeen,
das ist durch Christum, sunder umb zeytlichs reychtumbs und eer willen
werden sie pfaffen. Und wann sie dann also in schaffstall kommen,
10 dencken sie gar nit an Christus bevelch, das sie vom reych der hymel
predigen, die krancken heilen, die todten ufferwecken etc., geben auch
nit die gnad gottes wider umbsunst, wie sie die empfangen69, sunder
hier gegen reyssen und würgen sie die armen schaff, wie man dann
sicht, mit gelt abforderen, schinden, schätzen70, bannen und achten, das
15 in doch nit zugehört, dann seliger ist (als Paulus sagt) gebn dann nemen
[Act 20,35]. Und er schreybt zu den | Corinthiern [2 Cor 10,8], sein
gewalt sey im gegeben zu einer uffbauwung, nit zu einer zerbrechung.
Und als er in sein zukunfft verkündet, schreybt er also: Ich bin bereit,
zum dritten mal eüch zu kommen, und wil eüch nit beschwärlich sein, dann
20 ich beger nit eüwers guttes, sunder eüwer selen [2 Cor 12,14]. Also haben die
priester ge | walt über uns und nit mit irem bann zu schrecken und zu
nötigen71, sunder wie Paulus pflag72, wann wir irren, in sänfftmüttig-
keit und sittlicher weyß zu bitten und vermanen. Dann als sant Johannes
Chrysostomus sagt73, ist Christus kommen, das er die sterblichen men-
25 schen mit miltigkeit selig macht und nit mit schrecken darniderwürffe.
Und derhalben ist auch desselbigen lerers meynung, gott tröwe uns uff
das ewig feür, nit das er das über uns füren wöl, sunder uns zu über-
reden, das wir uns darvor hüten und es fliehen. So weißt man wol, wie
die alten bischoff iren gewalt gebraucht haben, anders nit, dann wie
30 Cyprianus schreybt zu einem bischoff74, den einer von seinen priestern
übergeben und uff das höchst geschmächt het, dise wort: »würt er dich
fürter mer mit seinen schmächworten erbittern und reitzen, so gebrauch
dich gegen im des gewalts deiner eren, das du in antweders entsetzest
oder aber dich seiner gemeynschafft entschlagest.« Und sollichs ist die
Die nit durch Christum
in den schaffstall geen.
663
Der Aposteln und priester
gewalt.
C4a
Christlich senfftmiettigkeit
Der alten bischof gewalt
zu straffen.
q) sollichs B.
69. Vgl. Mt 10, 6-9. 70. Das Geldabnehmen.
71. Zur Kritik am Bann vgl. A.. Störmann: Die städtischen Gravamina gegen den
Klerus am Ausgange des Mittelalters und in der Reformationszeit. RGST 24-26,
1916, S. 223-225.
72. Starkes Präteritum (mhd. pflige, pflag, gepflegen); jetzt abgeschwächt: pflegte.
73. Vgl. MSG 47,281/82.
74. Ad Rogationum ep. LXV; MSL 4, 409.