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6. ERSTES GUTACHTEN FÜR DEN ULMER RAT
am 2. Jum 1531 legten die auswärtigen Reformatoren dem Rat achtzehn Glaubens-
artikel vor, die als Grundlage für die reformatorische Arbeit dienen sollten.7 Der
letzte dieser Artikel stellt in nuce bereits die Forderungen, die in den späteren Ehe-
gutachten ausführlich begründet werden: Für Ehefälle sollen allein die Fleihge
Schrift und das mit ihr übereinstimmende römische Recht gelten; nur sie haben als
Richtschnur für die Bestimmung der bei einer Fleirat verbotenen Verwandtschafts-
grade sowie für die Regelung der Ehescheidung und des Problems der heimhchen
Eheversprechen zu dienen.8
Bald danach erstellten Bucer, Oekolampad und Blarer, von den achtzehn Artikeln
ausgehend, eine hauptsächlich von dem Straßburger verfaßte, grundlegende Denk-
schrift über die evangelische Neuordnung der Lehre, der Zeremonien, des Ehewe-
sens und der Zucht9. Hier werden die eherechtlichen Neuansätze ausführlicher und
deuthcher: Nur die mit der Zustimmung der Eltern geschlossenen Ehen haben als
gültig zu gelten; Eheschließungen müssen mit einem öffentlichen Kirchgang und ei-
ner mahnenden Ansprache des Predigers besiegelt werden; zur Lösung von Rechts-
streitigkeiten solle der Rat ein Ehegericht einsetzen, das die Bibel (»göttliches
Recht«) und das römische Recht zum Maßstab mmmt.
In diesem Zusammenhang ist das folgende Gutachten entstanden. Es wurde von
derselben Hand wie der obengenannte Entwurf niedergeschrieben10 und lag dem
Rat spätestens am 22. Juni 1531 vor11, also kurze Zeit nachdem der Rat die ausführ-
liche Denkschrift über Lehre und Zeremomen diskutiert hatte12. Die Zahl der hier
zusammengestellten Belege aus dem römischen Recht ist ungleich größer als in allen
entschloß sich der Rat zur zügigen Einführung der Reformation. Er beschloß lm Januar 1531 den
Beitntt m den Schmalkaldischen Bund und bat auf Empfehlung des evangelischen Predigers Kon-
rad Sam die Städte Straßburg, Basel und Konstanz um die Sendung lhrer jeweiligen Reformatoren
für den raschen Aufbau evangehscher Strukturen. Ausführlich hierzu vgl. Endriß, Das Ulmer Re-
formationsjahr 1531; Specker/Weig, Die Einführung der Reformation m Ulm; Anrich, Ulmer Kir-
chenordnung; Köhler, Zürcher Ehegencht II, S.42—88.
7. Die achtzehn Artikel, die maßgeblich von Bucer verfaßt worden sind, sind in BDS 4, S. 301,3 —
304,29 wiedergegeben. Anhand dieser Artikel wurden am 5-Jum 1531 die Pfarrer der Stadt, am
6. Jum die Ordensleute und am 7. Jum die Landgeistlichen des Ulmer Terntoriums examiniert. Die
Artikel wurden später m dem »Gemain außschreiben« des Ulmer Rates vom 31. Juli 1531 veröffent-
licht, das den Reichsständen über die in Ulm durchgeführten kirchlichen Neuerungen berichtete.
8. Vgl. BDS 4, S. 304,24-29. Das Thema Ehe wird freilich auch in den Artikeln 11 (vgl. BDS 4,
S. 303,11) und 12 (S. 303,20) kurz berührt, jedoch nur im Zusammenhang mit der Bekämpfung der
monastischen Gelübde. Zu den weitreichenden eherechtlichen Implikationen des achtzehnten Arti-
kels vgl. Köhler., Zürcher Ehegencht II, S.43.
9. Unter dem Titel »Bucers Entwurf einer Ulmer Kirchenordnung« in BDS 4, S. 374—398 ediert
(hierzu vgl. jedoch Brecht, Rezension BDS 4, S. 392). Ausführlich zu diesem Entwurf vgl. Köhler,
Zürcher Ehegericht II, S. 43-47.
10. Vgl. unten Anm. 41.
11. Vgl. Köhler, Zürcher Ehegencht II, S. 52.
12. Am 12. Juni 1531 erfolgte die erste Reaktion des Rates auf die Denkschrift. Hierzu vgl. Köh-
ler., Zürcher Ehegericht II, S.47f.
6. ERSTES GUTACHTEN FÜR DEN ULMER RAT
am 2. Jum 1531 legten die auswärtigen Reformatoren dem Rat achtzehn Glaubens-
artikel vor, die als Grundlage für die reformatorische Arbeit dienen sollten.7 Der
letzte dieser Artikel stellt in nuce bereits die Forderungen, die in den späteren Ehe-
gutachten ausführlich begründet werden: Für Ehefälle sollen allein die Fleihge
Schrift und das mit ihr übereinstimmende römische Recht gelten; nur sie haben als
Richtschnur für die Bestimmung der bei einer Fleirat verbotenen Verwandtschafts-
grade sowie für die Regelung der Ehescheidung und des Problems der heimhchen
Eheversprechen zu dienen.8
Bald danach erstellten Bucer, Oekolampad und Blarer, von den achtzehn Artikeln
ausgehend, eine hauptsächlich von dem Straßburger verfaßte, grundlegende Denk-
schrift über die evangelische Neuordnung der Lehre, der Zeremonien, des Ehewe-
sens und der Zucht9. Hier werden die eherechtlichen Neuansätze ausführlicher und
deuthcher: Nur die mit der Zustimmung der Eltern geschlossenen Ehen haben als
gültig zu gelten; Eheschließungen müssen mit einem öffentlichen Kirchgang und ei-
ner mahnenden Ansprache des Predigers besiegelt werden; zur Lösung von Rechts-
streitigkeiten solle der Rat ein Ehegericht einsetzen, das die Bibel (»göttliches
Recht«) und das römische Recht zum Maßstab mmmt.
In diesem Zusammenhang ist das folgende Gutachten entstanden. Es wurde von
derselben Hand wie der obengenannte Entwurf niedergeschrieben10 und lag dem
Rat spätestens am 22. Juni 1531 vor11, also kurze Zeit nachdem der Rat die ausführ-
liche Denkschrift über Lehre und Zeremomen diskutiert hatte12. Die Zahl der hier
zusammengestellten Belege aus dem römischen Recht ist ungleich größer als in allen
entschloß sich der Rat zur zügigen Einführung der Reformation. Er beschloß lm Januar 1531 den
Beitntt m den Schmalkaldischen Bund und bat auf Empfehlung des evangelischen Predigers Kon-
rad Sam die Städte Straßburg, Basel und Konstanz um die Sendung lhrer jeweiligen Reformatoren
für den raschen Aufbau evangehscher Strukturen. Ausführlich hierzu vgl. Endriß, Das Ulmer Re-
formationsjahr 1531; Specker/Weig, Die Einführung der Reformation m Ulm; Anrich, Ulmer Kir-
chenordnung; Köhler, Zürcher Ehegencht II, S.42—88.
7. Die achtzehn Artikel, die maßgeblich von Bucer verfaßt worden sind, sind in BDS 4, S. 301,3 —
304,29 wiedergegeben. Anhand dieser Artikel wurden am 5-Jum 1531 die Pfarrer der Stadt, am
6. Jum die Ordensleute und am 7. Jum die Landgeistlichen des Ulmer Terntoriums examiniert. Die
Artikel wurden später m dem »Gemain außschreiben« des Ulmer Rates vom 31. Juli 1531 veröffent-
licht, das den Reichsständen über die in Ulm durchgeführten kirchlichen Neuerungen berichtete.
8. Vgl. BDS 4, S. 304,24-29. Das Thema Ehe wird freilich auch in den Artikeln 11 (vgl. BDS 4,
S. 303,11) und 12 (S. 303,20) kurz berührt, jedoch nur im Zusammenhang mit der Bekämpfung der
monastischen Gelübde. Zu den weitreichenden eherechtlichen Implikationen des achtzehnten Arti-
kels vgl. Köhler., Zürcher Ehegencht II, S.43.
9. Unter dem Titel »Bucers Entwurf einer Ulmer Kirchenordnung« in BDS 4, S. 374—398 ediert
(hierzu vgl. jedoch Brecht, Rezension BDS 4, S. 392). Ausführlich zu diesem Entwurf vgl. Köhler,
Zürcher Ehegericht II, S. 43-47.
10. Vgl. unten Anm. 41.
11. Vgl. Köhler, Zürcher Ehegencht II, S. 52.
12. Am 12. Juni 1531 erfolgte die erste Reaktion des Rates auf die Denkschrift. Hierzu vgl. Köh-
ler., Zürcher Ehegericht II, S.47f.