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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]; Buckwalter, Stephen E. [Oth.]; Wilhelmi, Thomas [Oth.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 18): Nachträge 1541 - 1551 sowie Ergänzungen und Korrekturen — Gütersloh, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30530#0253
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Text

| 221 | Gnädige herren!

Es hat der teur vnd getrew diener Christi, Herr Wilhelm Farell ¹ , vns praedigern
hie in seinem vnd der anderen praediger zu Genff namen von welschen newenburg
² gschriben ³ vnd hertzlich geklagt, wie der Bapst ⁴ die lieben Christen, die
sich halten in der Graueschafft Auinion ⁵ , ernstlich hat angefangen zu uerfolgen.
Vnd kurtzlich wöllen ein stättlin, Caprariae ⁶ genant, in der selbigen Graueschafft
gelegen, mit gewerter ⁷ hand vberfallen und vmbringen. Da zu er bei vier tausent zu
Roß vnd zu fuß ⁸ in der selbigen gegnen, doch den merernteil auß des königs ⁹ gepiet,
versamlet vnd gegen gemeltem stätlin gesandt, das selbig onversähenlich einzu-
nemen ¹⁰ . Welchen armen leuten gott wunderbarlich geholffen vnd gegeben, das einer
on gefär gehört die Reutter her zu eylen vnd die menge gesehen, vnd daruff die
thor der statt so bald zugeschlagen, zu dem sich zwen oder drey gethon vnd sonst
sich zur wehr niemants besonders gerust oder geschickt hat. Dann die burger das
mehrerteil vff dem feld waren, die frücht einzusamlen. Nüt desto weniger hat gott
ein solchen schrecken in des Bapsts volck gestecket, das sie von dem stättlin, welches
sie dann leichtlich hetten erobern mögen, wenn gleich etwas wehre were do gewesen,
die doch gar nichts vorhanden ware, abgelassen, aber was sie vff dem feld von
vihe und leuten im abzug ergriffen, gefangen vnd gon Auinion gefüret. Aber ietzund
bewirbt sich der Bapst vmb mehr volcks vnd förchtet, die Christen im Land möch-

1. Guillaume Farel (1489–1565), Reformator der französischen Schweiz (vgl. bes. HBBW II,
S.117, Anm. 18). Mit Bucer stand er seit dem 25. Oktober 1526 (BCor II, Nr.149, S.176–180) und
bis kurz vor dessen Tod in reger Korrespondenz (Rott, Liste alphabétique, S.30 f.).
2. sc. Neuchâtel (Neuenburg).
3. Der Brief ist nicht erhalten.
4. Paul III. (1468–1549), Papst seit 1534.
5. Vielmehr gemeint ist die Grafschaft (»Comtat«) Venaissin, die das ganze Gebiet um Avignon
umfaßte, während die eigentliche Grafschaft Avignon sich auf das Stadtgebiet beschränkte.

6. Gemeint ist Cabrières d’Avignon, eine befestigte Waldenserstadt im Comtat Venaissin (vgl.
Audisio, Guide historique, S. 42–45; ders., Procès-verbal d’un massacre, S. 16, 25 und 31; Frank,
Waldenser, S. 98), die mit dem nahe gelegenen Ort Cabrières d’Aigues (vgl. Audisio, Guide historique,
S.39–41) nicht verwechselt werden sollte, in welchem auch Waldenser lebten und der zu diesem
Zeitpunkt ebenfalls von königlichen Truppen bedrängt wurde.

7. bewaffneter. Frühneuhochdt. WB 6, Sp. 1942 f.; zum Ausdruck »mit gewehrter Hand« vgl.
bes. Grimm 6 (= IV,1,3), Sp.5422–5425.

8. Bucers Angaben sind nicht übertrieben und werden von zeitgenössischen altgläubigen Quellen
bestätigt (Audisio, Procès-verbal d’un massacre: »Dans une lettre au cardinal Farnèse datée du19
avril 1545, le vice-légat [Antoine Trivulce, évêque de Toulon] évaluait les troupes françaises à 4000
fantassins et une centaine des gentilshommes à cheval. L’ensemble des forces rassemblées se montait
donc à plus de 5000 hommes: une véritable armée«).
9. Franz I. (1494–1547) war seit 1515 französischer König.
10. Zur militärischen Aktion gegen Cabrières d’Avignon vgl. Gaffarel, Les massacres de Cabrières
et de Mérindol, S. 254–262; Audisio, Guide historique, S. 22–29; ders., Mémoire des vainqueurs,
S.243–249; ders., Procès-verbal d’un massacre, S.19–27; Monter, Judging the French Reformation,
S.96–103; Frank, Waldenser, S.102f.
 
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