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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0093
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Kirchenordnung 1543

hebben, in welcke ein jewelick knave synem
vorstande und gelegenheit na vorordenet werde.

Van der praeceptoribus und scholgesellen,
wat ere ampt und besoldinge syn schal.

Dewile overst tho anrichtinge solcker scholen
und classium gude praeceptores und paedagogi
gehören, so schölen de visitatores in einem jewe-
liken örde na gelegenheit gude und gelerde
scholgesellen so vele, alse van nöden, vororde-
nen, welcken de visitatores ock allerwegen sül-
cke besoldinge scholen bestellen, dat se sick
nicht tho beklagen hebben. Overst wedderumme
schölen ock de gesellen in sülcker institution
allen vlyt vorwenden und eres amptes, wo sick
yd gebört, warnemen, wo se denn nach lude
disser ordeninge sick ane twivel ock sülvest
erinneren werden.

De scholekindere scholen alle verndel jars ere
precium geven, alse van oldes in einem jewe-
liken örde gewonlick is geweset. De ganz arme
kindere scholen nichts geven.

Doch scholen de kastenheren erkennen, wel-
cke kindere so arm sind, und se thom schole-
meister bringen, dat he se vorgeves annehme
und nichts an en vorsümen late.

De funeralia scholen de magister und gesel-
len alle gelick delen, dat de overmeister nicht
mehr darvan krige wenn de geringeste geselle.
Wenn man de scholere wil hebben, dat se thor
brutlacht in der kercken singen, so mach men
en darvor dohn, wat in jeweliken örde suss
lange her gewonlick is geweset.

Prima classis. De erste hupe.

Tho dissem hupen hören alle de, de noch
bockstaven und lesen leren. Und id is gut, dat
solcks in den latinischen enchiridiis 49 gesche,
darinne de teyn gebade, dat Vaderunse, de ge-
love und wat mehr thom catechismo gehöret,

vervatet is, und wenn se de enchiridia verdich
lesen könen, dat men se darna in dem Donato 50
und Catone 51 öve mit anhangender uthlegginge.
Und möten solcke boke, wenn se uthe sind, alle
tydt wedderumme angefangen werden.

Solcke knaven scholen ock dagelick des aven-
des twe vocabula mit erem düdeschen mede tho
hus nehmen und desülven des morgens tho repe-
teren weten, scholen ock eren eigen ört in der
schole hebben.

Secunda classis.

Tho dissem hupen gehören de, so lesen könen
und de grammatica leren möten. Und schal tho
solcker behoff alle tidt Grammatica Philippi 52
blyven und neven der grammatica hefft men vor
middage tho verdüdeschende Aesopum mit övin-
ge der declination, der coniugation und re-
gulen. Na middage Paedagogiam Mosellani 53
und etlike colloquia Erasmi 54, de sunderlike ard
hebben und de besten sind. Id scholen sick ock
solcke knaven im latin tho öven anfangen und
des avendes einen latinischen sproke mit sick
heim nemen, den se des morgens tho repeteren
weten. Men schal darup sehen, dat se ock wol
schriven leren und de orthographiam holden.

Tertia classis.

Tho dissem hupen gehören, de declineren und
coniugeren könen und in der grammatica etwas
geövet sind. Neven der Grammatica Philippi
scholen se thor övinge Terentium hebben und
syntaxin 55 uthwendich tho seggen wetten. Te-
rentium scholen se uthwendich leren. Darna mot
men en etlike comedias Plauti und de ardige-
sten edder selectas epistolas Ciceronis lesen.
Se scholen stedes latin reden. Thowilen ex Te-
rentio uthwendich etwes reciteren und einmal
in der weken carmina und epistelen schryven,
darna de knaven geschickt sind.

49 Vgl. zu den lat. Uebersetzungen des Kl. Kate-
chismus zusammenfassend: M. Reu, D. Martin
Luthers Kleiner Katechismus. 1929, S. 50 ff.

50 Ars minor des Donatus, lat. Elementargram-
matik des Mittelalters, Ausg. in Keil, Gram.
Lat. IV,354 ff.

51 Dicta Catonis, Sammlung lat. Spruchweisheit,

Ausg. b. Baehrens, poetae lat. min. 3,205 ff.;
vgl. Pauly-Wissowa, RE V, 358 ff.

52 Grammatica latina. 1526, CR 20 241 ff.

53 Peter Schade (Mosellanus), Paedagogia. 1518.

54 Erasmus Roterodamus, Colloquia familiaria.
1518. 1522. Opp. (Clericus) Leyden, I. 1703.

55 Syntaxis Phil. Melanthonis. 1529, CR 20,347 ff.

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