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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

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https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0118
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Wolfenbüttel

glaube in der verheissung des evangelii, im
wort und sacramenten sucht, ergreift und an-
nimpt Christum mit alle seinem verdienst und
Gottes gnade umb Christus willen, also, das er
wünschet und begeret, bittet und flehet, das
ihm Gott umb Christus willen gnedig sein und
seine sünde vergeben wölle, tröstet sich des,
setzet darauf sein vertrauen, und wenn diß
gleich in grosser schwacheit zugehet, so ists
doch ein rechter, wahrer, seligmachender glau-
be, welchen der liebe Gott mehren will, und hat
sich gewißlich zu trösten und anzunehmen aller
der verheissungen, so die gleubigen in der hei-
ligen schrift haben zur vergebung der sünden
und ewigem leben. Wer aber gleich des glaubens
sich rhümet und verachtet das wort und die
sacrament und lebet ergerlich, verharret in
sünden wieder sein gewissen, der feilet auch
weit; denn der glaube kömpt, wird erhalten und
gemehret vom heiligem Geist durch das gehör
des worts, Rom. 10 [17], und wo dem glauben
keine gute w erke volgen, so ist er todt, Jacobi
2 [17].

Derselbige glaube bringet nun mit sich gute
früchte eines neuen lebens und wandels, welchs
darin stehet, das nicht allein eusserlich etwas
geschehe, sondern daß das herze erneuert werde.
Dasselbige aber kanstu daran probiren, wenn
das herz in betrachtung der grossen gnad, dir
in Christo erzeiget, sich ergibt, dem frommen
Gott widerumb zu dienen, und einen vorsatz
fasset, Gott mit kindlichem gehorsam dankbar
zu sein, und befleissiget sich, solchen vorsatz
zu beweisen, damit das es sich vor sünden hütet,
in guten werken, so Gott befohlen hat, ubet,
im kreuz gedültig ist etc. Und ob diß gleich
in diesem leben schwach und unvolnkomen ist,
wie dann darumb auch alle heiligen in diesem
leben müssen umb vergebung der sünden bit-
ten, Psalm. 32 [5], so ists doch ein anfang der
verneurung des heiligen Geistes.

Dieser bericht ist darumb etwas mit mehrern
worten hieher gesetzt, weil an diesem artickel
am meisten gelegen und in der erfarung befun-
den wird, das ungeübte pastores entweder diese
lehre nicht richtig mit gebürlichem underscheid

führen oder lassen doch die lehre in genere
hengen sine accommodatione ad usum, das sie
nicht derselbigen brauch und ubung anzeigen.
So meinet auch der gemeine haufe, es sey gnug,
wenn man die lehre so höret und weiß, obgleich
der gebrauch und die ubung nicht volge. Wo
derhalben dieser anleitung also gefolget würde,
achten wir, es solte viel frucht schaffen und
würde hiemit der rechte grund gelegt der gan-
zen lehre und des ganzen christenthumbs.

Weil aber diß alles, was zur busse und beke-
rung gehöret, nicht angefangen noch geschehen
kan auß menschlichen, natürlichen kreften und
vermügen, sonder der heilige Geist muß sol-
ches geben, wirken, erhalten und mehren, er
aber will dasselbige thun nicht ohne mittel.
sondern durchs wort, darzu als ein ordentlichs
mittel von Gott gegeben und verordnet, derhal-
ben muß nu folgends angezeiget werden, worauß
die prediger sollen lehren buß, worauß glauben
und worauß neuen gehorsam, was sie für ein
wort den leuten sollen fürhalten, dardurch der
heilige Geist wirken möge busse, darnach glau-
ben und folgend neues leben. Und diß stehet nun
auf dem underscheid des gesetzes und evangelii.

Von underscheid des gesetzes und evangelii.

Die ganze lehre des göttlichen worts, in der
heiligen schrift geoffenbaret, stehet in diesen
zweyen underschiedlichen heuptstücken, in der
lehre des gesetzes und in der lehre des evangelii.
(Wenn wir aber im neuen testament das ge-
setz nennen, so verstehen wir einfeltig mit
Christo [Mt 22, 34 — 40] und Paulo [Rm 7,12] die
zehen gebott Gottes, wie die in der schrift er-
kleret sind.) Und die beide heuptstück müssen
in der kirchen Gottes beysamen bleiben und
miteinander getrieben werden, nicht allein das
gesetz ohne das evangelium, auch nicht allein
das evangelium ohne das gesetz, und müssen
doch die zwey heuptstück mit hohem fleiß
underscheiden werden, sein und bleiben, das
ein jedes sein sonderliches, eigenes, underschie-
denes ampt und werk führe und behalte, wie
solchen underscheid Paulus fein gründlich wei-
set 2. Corinth. 3 [6]; Galat. 3 [19 ff.]; Roman. 3

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